Der Bahn-Konzern handelt sich mit Stuttgart 21 einen großen Imageschaden ein, sagt Lokalredakteur Konstantin Schwarz.  

"Das Projekt Stuttgart 21 ist sehr gut vorbereitet, weshalb kaum mit Kostensteigerungen in Höhe von 50 Prozent zu rechnen ist.“ Der frühere CDU-Innenminister Heribert Rech hatte mit dieser Aussage am 20. Dezember 2006 eine Anfrage der Grünen im Landtag abgebügelt. Der neue Tiefbahnhof in der Stadt mit Strecken bis Feuerbach und Wendlingen sollte damals 3,8 Milliarden Euro kosten.

Am Mittwoch hat Bahn-Technikvorstand Volker Kefer gegenüber dem Aufsichtsrat des Schienenkonzerns die Katze aus dem Sack gelassen. Stuttgart 21 kostet bis zu 6,8 Milliarden Euro. Und damit 50 Prozent mehr, als bisher durch alle Baupartner finanziert ist. Ende 2009 waren die Baukosten des laut Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn bestens geplanten und berechneten Projekts schon einmal extrem in die Höhe geschnellt. Der Aufschlag von 3,1 auf 4,1 Milliarden Euro bedeutete eine Kostensteigerung um satte 32 Prozent.

Die Bahn beteuerte damals und beteuert heute, bei diesem Vorhaben wirklich alles ausgeleuchtet, bedacht und abgepuffert zu haben. Die Projektgegner wollten das nie glauben, und selbst unverdächtige Instanzen wie der Bundesrechnungshof äußerten Zweifel. Auf 5,3 Milliarden Euro taxierte die Bonner Behörde das Vorhaben 2008. „Unsere damalige Einschätzung hat sich ziemlich genau bestätigt“, sagt Rechnungshof-Sprecher Martin Winter heute.

"Der Offenbarungseid, den Kefer am Mittwoch geleistet hat, ist kaum zu fassen"

Mit der neuen Zahl gesteht Kefer ein, dass seine Planer das Vorhaben nie im Griff hatten. Denn sie haben wesentliche Dinge „vergessen“. Zum Beispiel Grundstückskosten. Anhand der jährlich aktualisierten Boden-Richtwertkarte der Landeshauptstadt könnten sie berechnet werden. Für das Heft muss man allerdings 35 Euro berappen. Die Bahn will im eng bebauten Talkessel zudem ein Loch von einem Kilometer Länge, 120 Meter Breite und 25 Meter Tiefe graben. Da gibt’s Rohre und Leitungen? Hat man in der vorhandenen Dichte schlicht unterschätzt.

Der Offenbarungseid, den Kefer am Mittwoch geleistet hat, ist kaum zu fassen. Der Schaden ist – über die reine Summe hinaus – groß: Der Konzern Bahn wird unglaubwürdig, und ein Vorstandsmitglied liefert dazu die Fakten. Er informiere „grundsätzlich erst dann, wenn ich genau weiß, worüber ich rede“, sagt Kefer. Er soll trotzdem bleiben, sagt der Aufsichtsrat, weil man nicht den vom Hof jage, der aufkläre. Die Frage aber ist, warum Kefer die Kalkulation nicht deutlich früher auf den Prüfstand gestellt hat.

Die Bahn hat am Mittwoch vorgegeben, generös zu sein und zusätzlich 1,1 Milliarden Euro für Stuttgart 21 zu geben. Damit aber sinkt die Rendite der Investition von 7,5 auf nur noch knapp über ein Prozent. Das sei „nicht trivial“, sagt ein Mitglied des Kontrollgremiums – und dass der Konzern unter diesen Vorgaben eine Investition normalerweise nicht beginne.

Die Bahn hat die Verantwortung für Weiterbau oder Projektabbruch nun an Land und Stadt delegiert. Sie sollen für weitere bis zu 1,2 Milliarden Euro in Haftung gehen. Selbst wohlmeinenden Projektpartnern wie Stuttgarts scheidendem OB Wolfgang Schuster (CDU) geht das zu weit. Stuttgart 21 steht auf der Kippe.