Im Jahr 2022 könnte eintreten, wovor sich viele in Filderstadt und der Umgebung fürchten: dass die S-Bahn nach Bernhausen für ein Jahr vom Gleis genommen wird. Foto: Patrick Steinle

Dem offiziellen Bericht der Bahn zu den Bauarbeiten am Flughafen haben Bürger und Lokalpolitiker in Filderstadt entgegengefiebert. Die Leute treibt vor allem die Frage um, wie Pendler während der einjährigen Sperrzeit von A nach B kommen.

Filderstadt - Den 18. Februar hatten sich offensichtlich viele rot im Kalender angestrichen. Gut 100 Bürger sind am vergangenen Montag zur Sitzung des Gemeinderats in Bernhausen gekommen. Der Grund: Tagesordnungspunkt drei, der Bericht von Vertretern der Deutschen Bahn zu den Bauarbeiten am Flughafen im Zuge des Großprojekts Stuttgart 21. Den vielen Filderstädtern, die teils mangels Stühlen auf dem Boden hockten, ging es vor allem um die geplante einjährige Sperrung der S-Bahn-Strecke zwischen Echterdingen und Bernhausen; diese könnte im Jahr 2022 eintreten. Die Pläne hatten vor Weihnachten bei Pendlern und Lokalpolitikern auf der Filderebene wie ein Blitz eingeschlagen.

Der große Crash ist ausgeblieben

Und was ist das Resümee nach zwei Stunden des Schlagabtausches? Der große Crash ist ausgeblieben. Die Debatte schwankte zwischen Vergangenem und Zukünftigem. Einerseits ploppte immer wieder die Frage auf, wer schuld ist an dem Schlamassel. Ob die Anbindung der Gäubahn an den Flughafen wirklich klug sei. Ob der Bau eines dritten Gleises am Flughafen überhaupt zu halten sei angesichts der Auswirkungen auf den S-Bahn-Verkehr von und nach Filderstadt. Andererseits diskutierten Lokalpolitiker und Bahnvertreter darüber, wie alles werden soll, wenn die S-Bahn vom Gleis genommen wird. Wie die Leute trotzdem von A nach B kommen – ohne zu verzweifeln.

Der Oberbürgermeister Christoph Traub hat die Debatte als „sehr sachlich“ wahrgenommen, wie er am Tag danach sagte. Gesundheitlich sichtlich angeschlagen hat er die Sitzung, auf die so viele gewartet hatten, geleitet. Selbst mit Fieber hätte er sich wohl an jenem Abend in den Bürgersaal in Bernhausen geschleppt, sagte er. Fehlen? Nicht drin.

Nichts sollte dem Zufall überlassen werden

Alle Seiten wirkten bestens vorbereitet. Für die Bahn war der Termin Chefsache. Am Tisch saßen Manfred Leger und Matthias Breidenstein. Leger ist der Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart–Ulm, Breidenstein der technische Leiter für das Projekt rund um den Flughafen. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden, weshalb Leger in fünf Minuten eine gedruckte Erklärung vom Blatt ablas. Es ging vor allem ums große Ganze und warum die Pläne erst Mitte Dezember 2018 öffentlich gemacht worden sind. Breidenstein schickte eine Power-Point-Präsentation hinterher, mit der er erläuterte, warum die Bahn für den Bau eines dritten Gleises nicht um Sperrungen herumkomme. Die Bahn habe die Qual der Wahl gehabt: Entweder unzuverlässige Sperrungen über rund dreieinhalb Jahre verteilt oder aber ein großer Wurf, der ein Jahr dauere, dafür aber die Planung eines zuverlässigen Ersatzverkehrs erlaube. „Wir versuchen hier ein vernünftiges System“, sagte Breidenstein.

Ob diese Theorie den Praxistest besteht, daran hegen viele Filderstädter Zweifel. Was der Bahn am Montag entgegenschlug, waren: Fragen über Fragen. Die SPD-Fraktion hatte einen ganzen Katalog an offenen Punkten aufgelistet; der Sprecher Walter Bauer war gut präpariert. Er hatte sich die Zeit genommen, die 24 Ordner mit den Unterlagen, die der Öffentlichkeit derzeit im Rathaus Plattenhardt zugänglich sind, zu wälzen. Und auch die Grünen hatten sich mit einem Fragen-Papier auf die Sitzung vorbereitet. Aus Sicht des Gremiums blieb die Bahn die meisten Antworten schuldig, spulte nur ihr Programm ab.

Die Situation sei nicht hinnehmbar

Für die Freien Wähler stand nach der Sitzung fest: „Diese Situation ist für uns nicht hinnehmbar“, schrieb Stefan Hermann am Tag nach der Sitzung in einer Pressemitteilung. Die Bahn müsse alle Alternativen offenlegen. Und der Ersatzverkehr müsse früher durchdekliniert werden. Laut Bahn soll das Konzept für die Ersatzbusse ein Jahr vor der Sperrung stehen.

„Das ist die zentrale Frage, die uns quält“, sagte OB Traub im Nachgang zur Sitzung über die Ersatzbusse. Angesichts der alltäglichen Staus zu Stoßzeiten sehen viele die Busse nicht als verlässliche Lösung für die S-Bahn-Kunden. Hätten Leger und Breidenstein hier Konkretes im Gepäck gehabt, wäre laut Traub viel gewonnen gewesen. „Hier hätte die Bahn eine wesentliche Lanze brechen können.“ Die Haltung des Gremiums soll nun ausformuliert werden und nach einer Beratung im Ältestenrat Thema einer Sondersitzung sein.