Staatssekretär Murawski: Wollte er den Generalstaatsanwalt verhindern? Foto: Piechowski

Der Druck, den die Grünen wegen „Stuttgart 21“ auf die Justiz ausgeübt haben, fällt nun auf sie zurück: Die Opposition erwägt einen Untersuchungsausschuss.

Der Druck, den die Grünen wegen „Stuttgart 21“ auf die Justiz ausgeübt haben, fällt nun auf sie zurück: Die Opposition erwägt einen Untersuchungsausschuss.

Stuttgart - Im Sommer letzten Jahres machten im SPD-geführten Justizministerium zwei Anrufe der Grünen die Runde. Zum einen, so erzählte man sich, habe Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (Grüne) die Amtschefin des Justizministeriums angerufen und sie aufgefordert, auf die geplante Ernennung von Achim Brauneisen zum Generalstaatsanwalt von Württemberg zu verzichten. Brauneisen, zu dem Zeitpunkt 55 Jahre alt, sei „ein Mann von gestern“, soll Murawski gesagt haben, wie unsere Zeitung aus mehreren Quellen erfuhr.

Zum anderen soll im Justizministerium jemand aus der Führungsriege der Grünen-Fraktion angerufen und Anspruch darauf erhoben haben, einen frei werdenden Abteilungsleiter-Posten in der Stuttgarter Staatsanwaltschaft mit einem politisch genehmen Juristen besetzen zu dürfen. Dabei ging es um die Stelle von Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, der als Leiter der politischen Abteilung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ zu verantworten hatte.

Weil er dabei angeblich zu einseitig und zu hart gegen die Gegner des Projekts vorging, war Häußler nicht nur zum Feindbild der Demonstranten vor Ort geworden. Auch der Grünen-Fraktionschef Uli Sckerl forderte, Häußler von den Ermittlungen in Sachen „Stuttgart 21“ abzuziehen.

Über beide Anrufe redete man im Justizministerium mit einer Mischung aus Empörung und Spott. Empörung darüber, dass sich die Grünen trauen, eine zumindest formal unabhängige Justiz derart unter Druck zu setzen . Spott deshalb, weil in beiden Fällen bereits jedwede rechtliche Handhabe fehlte, um die Wünsche der Grünen erfüllen zu können. Das Bewerbungsverfahren in Sachen Generalstaatsanwaltschaft war bereits abgeschlossen, und der Abteilungsleiter-Posten in einer Staatsanwaltschaft wird im Rahmen des Stellenplans vom Behördenleiter besetzt – und nicht von der Politik.

Die Anrufe, die damals im Justizministerium ziemlich offen die Runde machten, sind heute geheime Kommandosache. Denn die Opposition hat die Frage, inwiefern die Grünen wegen „Stuttgart 21“ Einfluss auf die Justiz genommen haben, inzwischen zum großen Thema gemacht. Es gab bereits eine Landtagsdebatte dazu, zwei Regierungsanfragen von CDU und FDP warten noch darauf, beantwortet zu werden.

Grüne und SPD bemühen sich daher, die Reihen zu schließen. Die Sprecherin von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) sagt kurz und knapp, dass an den Vorwürfen nichts dran sei, und auch der Sprecher der Grünen-Fraktion sowie Geschäftsführer Sckerl verweisen die Erzählung vom Anruf der Fraktion ins Reich der Fabel.

Der Flurfunk im Justizministerium scheint allerdings nicht ganz so unzuverlässig zu sein, wie die Dementis dies nahelegen. Der Regierungssprecher im Staatsministerium bestätigt auf Anfrage, dass es ein Telefonat zwischen Murawski und der Amtschefin des Justizministeriums, Bettina Limperg, wegen Brauneisen gegeben hat. Dabei habe Murawski aber nur eine einzige „kritische Anmerkung gesetzt“: Er habe sein Befremden darüber geäußert, dass das Staatsministerium aus den Medien erfahren musste, wer Generalstaatsanwalt werden soll.

Ansonsten habe Murawski von Limperg nur „ein paar nähere Informationen zu der Personalie eingeholt“, behauptet der Regierungssprecher – eine Erklärung, über die der CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler laut lachen muss. Brauneisen, der jahrelang als Spitzenbeamter des Justizministeriums agierte, sei in der Landespolitik nun wahrlich kein Unbekannter, sagt Löffler, Auch Murawski müsse den Mann kennen. Löffler glaubt daher eher dem Flurfunk des Ministeriums. „Wir wissen, dass es bei der Benennung des Generalstaatsanwalts zu Unstimmigkeiten kam“, sagt er.

In der Tat ist bekannt, dass die Grünen Brauneisen verhindern wollten, weil offenbar wurde, dass der Jurist für „Stuttgart 21“ ist: Vor der Volksabstimmung  2011 hatte sich Brauneisen in einer Online-Liste als Befürworter des Bahnprojekts eingetragen. Dass die Grünen aber offenbar soweit gingen, direkt an der Spitze des Justizministeriums zu intervenieren, hat aus Sicht von Löffler eine neue Qualität:. „Wenn das stimmt, ist es der Hammer“, sagt er.

Auch die FDP zweifelt an Murawskis Version, was den Inhalt des Telefonats angeht. „Ich glaube Murawski nicht“, sagt Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Das kolportierte Murawski-Zitat, Brauneisen sei „ein Mann von gestern“ sei zu konkret, als dass es auf einem Hörfehler beruhen könne, so der Liberale.

Zur Aufklärung schließt Rülke mittlerweile nicht mehr aus, auch das schärfste Schwert des Parlaments in die Hand zu nehmen: „Das Fehlverhalten des Staatsministeriums hat eine Dimension, dass gegebenenfalls auch ein Untersuchungsausschuss in Betracht kommt“, sagt er. Ein solcher Ausschuss könnte Limperg als Zeugin vernehmen, die bald niemandem mehr in der Landespolitik irgendwelche Wünsche erfüllen muss: Sie wird offenbar neue Präsidentin des Bundesgerichtshofs.