Beruft sich auf den „Volkswillen“: Boris Johnson berennt die demokratischen Institutionen. Foto: AFP

Politiker vom Schlag eines Boris Johnson und Donald Trump berufen sich oft auf den Volkswillen, wenn sie Parlament oder Verfassung ihres Landes kritisieren. Diese Tendenz unterhöhlt auf Dauer die Demokratie, kommentiert Christopher Ziedler.

Berlin - Es ist einer der am meisten zitierten Sätze in der politischen Geschichte der Bundesrepublik: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, heißt es in Artikel 20 des Grundgesetzes, das in diesem Jahr 70 Jahre alt wurde. „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Damit gaben die Mütter und Väter der Verfassung den repräsentativen Charakter der Demokratie vor – da die erwähnten Abstimmungen auf Bundesebene nur bei einer Neugliederung von Bundesländern vorgesehen sind. Von der Fünf-Prozent-Hürde abgesehen sorgt dieses (Wahl-)System dafür, dass sich die gesamte Bandbreite der in der Bevölkerung vertretenen Meinungen auch im Parlament wiederfindet. Ist das nicht der Fall, ziehen über kurz oder lang neue Parteien ein – erst die Grünen, dann die Linke, zuletzt die AfD.