Mann mit vielen Talenten: Stuggi.TV-Chef David Rau bei einer Radioshow an der Hochschule der Medien. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Zehn Jahre Stuggi.TV. Was im Café mit viel Idealismus als Jugendsender begann, ist heute aus Sicht von Landtagspräsidentin Aras aus der Medienlandschaft nicht mehr „wegzudenken“.

Vor zehn Jahren hat der Online-Sender Stuggi.TV als Start-up begonnen. Inzwischen befindet er sich laut einer Studie der Uni Hohenheim anlässlich der Stuttgarter OB-Wahl mit etablierten Medien auf Augenhöhe. „Hier haben wir unser Profil bei der kommunalpolitischen Berichterstattung deutlich schärfen können“, sagt Chefredakteur und Gründer David Rau.

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Herr Rau, zehn Jahre Stuggi.TV – gibt es wirklich Grund zu feiern?

Wenn ein junges Team einen regionalen Sender aus dem Nichts aufzieht und sich das Medium dann über die Zeit fest in der Stadt etabliert, dann ist das ein Grund zu feiern.

Ist Fernsehen via Internet die Zukunft oder längst schon überholt?

Auch da hat sich die vergangenen zwei, drei Jahren viel verändert. Wir haben uns von der reinen Videoplattform hin zu einem crossmedialen Medium entwickelt. Soll heißen: Wir haben viel mehr Textanteil und Fotogalerien.

Warum?

Weil wir das aus unseren Rückmeldungen der Nutzer herauslesen. Wir können auch genau sehen, bei welchen Themen eher Text, bei welchen ein Video oder beides gewünscht ist. Manchmal reicht auch eine gut gemachte Bildergalerie.

Sie haben die Gegenwart beschrieben. Wohin weist die Zukunft?

Auch da gibt es nur eine Antwort – und die lautet crossmedial. Keine Redaktion kann es sich leisten, nur Texte zu schreiben oder nur Videos zu machen. Entscheidend für den Erfolg eines Mediums wird die Mischung dieser Darstellungsformen sein.

Was bedeutet das für Sie selbst?

Es ist ein Weg zurück zu den Wurzeln. Ich habe mit einer Schülerzeitung begonnen, habe Schüler-TV gemacht, an der Hochschule der Medien studiert, beim SWR hospitiert und bei der Jugendzeitschrift „Spiesser“ volontiert.

Der SWR ist top aufgestellt

Früher wirkte der SWR ein wenig angestaubt, jetzt scheint die Innovationsschmiede SWR X Lab alle zu überholen. Auch Stuggi.TV?

Erst mal muss ich sagen: Der neue Intendant Kai Gniffke hat eingeschlagen. Dazu passt diese Ideenschmiede. Es ist der richtige Kurs. Wichtig ist jedoch, dass sie diesem Kurs treu bleiben und die Arbeit des X Labs auch senderübergreifend Niederschlag findet.

Was kann man sich davon abschauen, um noch mehr bei einer jungen Zielgruppe zu landen?

Sie sind durch die App Newszone Vorreiter eines radikalen Ansatzes, auf kurze Texte bei Nachrichten zu setzen. Denn je jünger, desto größer der Wunsch nach kurzen Texten. Man will auf den Punkt informiert sein.

An diesem Samstag wird bei Stuggi.TV gefeiert. Die Landtagspräsidentin Muhterem Aras und OB Frank Nopper werden Reden halten. Gehört Stuggi.TV zum Establishment? Haben Sie den Charme des frechen Senders verloren?

Wenn man einen neuen Sender aufgebaut hat und am Anfang 200-mal gefragt wird, wer man überhaupt sei, fühlt sich es gut an, ein kleiner Teil des Establishments zu sein.

Top-Zeugnis für OB-Wahl-Berichterstattung

Ist nicht dennoch ein Stück Identität verloren gegangen?

Nein. Es geht in erster Linie darum, nicht stehen zu bleiben und sich permanent zu hinterfragen. In diesem Sinne sind auch unsere Nutzer aus der Anfangszeit mitgewachsen. Wir sind alle erwachsener geworden.

Laut einer Studie von Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim zur Berichterstattung über die OB-Wahl hat Stuggi.TV „Bild“ in der Reichweite und in puncto Ausgewogenheit den SWR und Printmedien überholt.

Das ist sensationell. Hier haben wir unser Profil bei der kommunalpolitischen Berichterstattung deutlich schärfen können.

Zum Konzept hat gehört, dass man Politik für junge Leute (be-)greifbar macht. Hat das funktioniert?

Absolut. Das bleibt unsere Hauptaufgabe und Herausforderung. Vor allem eben auch bei komplexeren Vorgängen in der Kommunalpolitik und sublokalen Themen.

Wie würden Sie diese zehn Jahre in ein, zwei Sätzen zusammenfassen?

Es war und ist eine unglaublich spannende und intensive Reise, bei der ich Dauergast sein durfte. Es steht eine wahnsinnige Entwicklung dahinter, die mit Treffen in Cafés begann, über ein eigenes Büro ging und nun in einem gesunden und anerkannten Medium, das zur Vielfalt beiträgt, einen weiteren Höhepunkt erreicht hat.

Was war die erfolgreichste Produktion der vergangenen zehn Jahre?

Da liegen ein paar Beiträge gleichauf. Von der Relevanz war sicher die OB-Wahl-Berichterstattung das Highlight, wo wir auch national zitiert wurden. Beispielsweise, als wir die fünf erstplatzierten Kandidaten nach dem ersten Wahlgang im Studio hatten. Von der Reichweite her, und da spreche ich von bis zu einer Million Aufrufen, war der Beitrag zum WM-Aus der deutschen Mannschaft und die Enttäuschung der Stuttgarter oder ein Cro-Interview weit vorne.

Stuggi.TV ist auch als Kaderschmiede bekannt. Schmerzt es, wenn man solche Leute ziehen lassen muss?

Im Gegenteil. Wir sehen das als einen Teil unseres Auftrags. Und ganz ehrlich: Wenn ich nur Lea Wagner mit ihren 27 Jahren als Nachfolgerin von Matthias Opdenhövel in der ARD beim Skispringen sehe, macht es mich schon stolz, dass sie bei uns ihre ersten Schritte gemacht hat.

Herr Rau, wann sind Sie zu alt für einen Jugendsender?

Ich bin jetzt 31. Klar ist für mich: Mein ganzes Leben werde ich den Job nicht machen. Aber Stuggi.TV ist mein Baby. Solang ich die Arbeit mit Freude und Leidenschaft mache, so lange kann ich dieses Baby schaukeln.