Ein sicherer Schütze: Nicolas Gonzalez trifft gegen den FC Augsburg vom Elfmeterpunkt aus. Zuletzt hat der Angreifer des VfB Stuttgart sieben Strafstöße in Folge verwandelt. Foto: Christian Kolbert/imago images

Vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach äußert sich Nicolas Gonzalez vom VfB Stuttgart erstmals in einem Interview in Deutschland. Der Argentinier spricht ausführlich über die Ambitionen der Mannschaft und seine Zukunft – und lüftet sein Elfer-Geheimnis.

Stuttgart - Seit zweieinhalb Jahren spielt Nicolas Gonzalez beim VfB Stuttgart. Nun hat er erstmals in Deutschland ein Interview gegeben. Nach dem Training nahm sich der 22-jährige Stürmer Zeit, um vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach an diesem Samstag (18.30 Uhr/Liveticker) am Telefon die Ambitionen der Mannschaft zu verdeutlichen.

 

Herr Gonzalez, der VfB gehört mit seinem Offensivfußball zu den positiven Überraschungen dieser Saison. Jetzt kommt mit Borussia Mönchengladbach eine Mannschaft, die ebenfalls stürmt. Was erwarten Sie?

Das wird ein wunderbares Spiel. Die Gladbacher kommen nach dem Sieg gegen den FC Bayern mit viel Selbstvertrauen. Für sie ging es in der Tabelle zuletzt nach oben, wir stehen ebenfalls gut da – und mit einem Sieg könnten wir uns sogar noch etwas weiter nach oben orientieren.

Allerdings handelt es sich um ein Heimspiel – und der VfB hat in dieser Bundesligasaison noch nicht im eigenen Stadion gewonnen.

Das stimmt zwar, aber dafür gibt es meiner Ansicht nach keine Erklärung. Wir liefern auch zu Hause gute Leistungen ab, und manchmal hat es nur an Kleinigkeiten gefehlt. Gegen Eintracht Frankfurt hätten wir zum Beispiel den Sieg verdient gehabt, haben letztlich aber mit dem 2:2 Punkte verschenkt. Gegen den FC Bayern waren wir ebenfalls sehr nah dran. Da hat es am Ende auch aufgrund von unglücklichen Schiedsrichterentscheidungen nicht gereicht. Wir müssen einfach geduldig sein.

Sie sprechen von Geduld. Haben Sie selbst genug davon?

Wo denken Sie hin. Ich bin schließlich Stürmer. Wenn ich nicht treffe, dann werde ich schon etwas ungemütlich. Natürlich versuche ich immer für die Mannschaft zu arbeiten, mich in die Gruppe einzubringen, aber als Stürmer will ich auch Tore schießen.

Fünf haben Sie in dieser Bundesligasaison bei zehn Einsätzen bereits erzielt, darunter drei Elfmeter. Üben Sie diese mit dem verzögerten Anlauf speziell?

Ich schieße die Elfmeter schon von klein auf so. Und selbstverständlich trainiere ich das weiter – mit den Torhütern und den Mitspielern. Manchmal wetten wir dabei oder lassen uns andere Spielchen einfallen, um den Reiz zu erhöhen. Das hilft mir, mich zu fokussieren und mit einem sicheren Gefühl im Spiel anzutreten.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Mannschaft nach dem Aufstieg?

Sehr gut. Wir verfügen über eine junge Mannschaft, wie alle sehen können. Sie ist aber auch erfolgshungrig. Kein Ball wird auf dem Feld verloren gegeben, und wir unterstützen uns gegenseitig. Zudem verspürt die Mannschaft große Spielfreude. Das alles spiegelt sich wider in unseren Leistungen – und in der Tabelle.

Was ist in dieser Saison möglich?

Diese Mannschaft kann noch viel erreichen. Das hat der Sieg in Dortmund gezeigt. Für mich wäre es ein Traum, mal einen Pokal mit dem VfB zu gewinnen.

Das Verhältnis zum Trainer

Welchen Anteil am Aufschwung hat der Trainer Pellegrino Matarazzo?

Einen sehr hohen, da er sehr viel mit uns arbeitet, sehr viel mit jedem einzelnen Spieler spricht und uns ständig motiviert. Erst vor Kurzem habe ich mit dem Coach darüber geredet, wie ich den Weg empfinde, den der VfB mit ihm eingeschlagen hat, und wie es auch die anderen Jungs im Team erleben.

Und?

Er schenkt uns viel Vertrauen. Das versuchen wir durch gute Leistungen zurückzugeben. Zudem kommt uns die Spielweise, die er vermittelt, entgegen. Das ist ganz anders als in meinem ersten Jahr beim VfB. Da waren wir meistens defensiv aufgestellt und hatten in einigen Fällen für die Offensive keinen klaren Plan. Nun attackieren wir, spielen flach und schnell von hinten heraus und wissen, was wir zu tun haben und wohin wir laufen sollen.

Sie haben vor Kurzem ihren Vertrag vorzeitig um ein Jahr bis 2024 verlängert. Sehen Sie ihre Zukunft beim VfB?

Im Fußball ist es schwer vorherzusagen, was die Zukunft bringen wird. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass ich mit all meinen Gedanken und mit vollem Herzen hier bin.

Lenkt es Sie nicht ab, wenn Sie ständig mit namhaften Clubs wie Juventus Turin oder Tottenham Hotspur in Verbindung gebracht werden?

Nein, ich bin glücklich beim VfB und fühle mich wohl in Stuttgart. Mit meinen Mitspielern verstehe ich mich bestens, und das Trainerteam bringt uns voran. Im Moment passt alles. Ich fühle mich wie zu Hause.

Das war aber schon anders.

Ja, im vergangenen Sommer habe ich mir Gedanken darüber gemacht, den VfB zu verlassen. Da war nicht abzusehen, wohin die Entwicklung geht, und ich hatte das Gefühl, dass einige Leute mich nicht mehr beim VfB haben wollten. Jetzt ist es anders. Mit dem Sportdirektor Sven Mislintat pflege ich ein gutes und ehrliches Verhältnis.

Das Gefühl bei Geisterspielen

Sie gelten als emotionaler Spieler. Vermissen Sie die Fans in den Stadien?

Sicher, es ist schon ein befremdliches Gefühl, in die Arena zu kommen und die Anhänger nicht jubeln zu hören. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen. Jedes Mal laufe ich ein, schaue in unsere Fankurve – und da ist nichts. Das ist hart, weil wir die Unterstützung der Fans brauchen.

An den Geisterspielen wird sich so schnell nichts ändern.

Stimmt, deshalb bringt es nichts, darüber zu klagen. Wir müssen sämtliche Abstands- und Hygieneregeln einhalten, damit wir weitermachen können. Aber manchmal spielt das Leben schon verrückt: In meinem ersten Jahr beim VfB waren die Bundesligastadien stets voll, und uns ist wenig geglückt. Jetzt spielen wir gut, und kein Mensch ist da, um das direkt mitzuerleben.

Apropos Ihre erste Saison in Deutschland. Das war in allen Belangen ein schwieriges Jahr?

In der Tat. Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich an den Fußball, das Leben und das Klima in Stuttgart zu gewöhnen. Auch die mentale Belastung während des Abstiegskampfes war sehr hoch. Am Ende hatte ich den Eindruck, nicht mehr der Spieler zu sein, der ich sein wollte und zuvor auch gewesen war.

Nun wirken Sie gereift und übernehmen mehr Verantwortung für das Spiel.

Vielen Dank für das Lob. Grundsätzlich versuche ich immer alles für den Erfolg zu geben. Daran hat sich absolut nichts geändert. Außerhalb des Platzes habe mich bestens eingelebt und habe deutsche Freunde gefunden.

Die Aussichten in der Nationalmannschaft

In ihrer Fellbacher Nachbarschaft sollen die Grillabende à la Gonzalez in der Zeit vor der Pandemie durchaus beliebt gewesen sein.

Es ist schön zu hören, ein guter Nachbar zu sein. Doch seit Monaten bin ich diesbezüglich zurückhaltend. Es kommen keine Gäste mehr ins Haus. Zum Glück sind meine Eltern seit geraumer Zeit da. Das hilft mir sehr. Vor allem, wenn ich nach Spielen etwas Aufmunterung brauchen sollte. Auch deshalb bin ich froh, dass sie bleiben werden. Es sieht so aus, als ob sie da sein wollen, wo ich bin.

Werden Sie bei nächster Gelegenheit wieder zur argentinischen Nationalmannschaft reisen?

Es wäre schön, wenn das möglich wäre. Ende März gibt es einen Doppeltermin für Länderspiele. Da geht es in der WM-Qualifikation gegen Uruguay und Brasilien. Da wäre ich natürlich gerne dabei, ebenso wie bei der Copa America im Sommer. Aber der Weg dorthin führt nur über den VfB. Erst muss ich hier konstant gute Leistungen bringen.