Studenten ohne Abitur machen nur 2,6 Prozent aller Studienanfänger aus. Foto: dpa

Kein Abi - und trotzdem studieren? Das geht! Immer mehr Menschen in Deutschland qualifizieren sich über ihre Berufspraxis für ein Studium. Doch nicht jeder ist über diese Entwicklung begeistert

Berlin - Die Zahl der Studenten ohne Abitur ist auf einem Rekordhoch: Im Jahr 2016 studierten in Deutschland rund 56 900 Menschen ohne allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife - mehr als doppelt so viele wie 2010. Das geht aus einer aktuellen Erhebung des CHE Centrums für Hochschulentwicklung hervor. Allerdings machen sie gerade einmal 2,6 Prozent der Studienanfänger aus, unter allen Studierenden liegt ihr Anteil bei genau zwei Prozent.

Die Möglichkeit, sich über den sogenannten dritten Bildungsweg per Berufspraxis für ein Studium zu qualifizieren, gibt es deutschlandweit seit fast zehn Jahren. So kann etwa die Note der Meister- oder Fachwirtprüfung die Abitur-Note bei der Bewerbung um einen Studienplatz ersetzen.

Unterschiedliche Meinungen im Bundestag

Der jüngste Zuwachs sorgt im Bundestag für unterschiedliche Reaktionen. Kai Gehring, der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, hält die Zahlen noch für zu niedrig und kritisiert die unterschiedlichen Zulassungsregeln der einzelnen Bundesländer: „Zum durchlässigen #Bildungssystem ist es noch weit“, twitterte Gehring am Donnerstag. Sein AfD-Kollege Götz Frömming sieht die Entwicklung hingegen skeptisch und beklagt bei Twitter ein allgemein sinkendes Bildungsniveau: „Das Gymnasium wird zur Hauptschule, die #Universität zur Volksschule.“

55 Prozent der Studienanfänger ohne Abitur wählen laut CHE ein Fach aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Jeder Fünfte studiert Ingenieurwissenschaften. Auch in Fächern mit beschränkter Zulassung wie Medizin und Pharmazie ist für sie ein Studium möglich. So haben 700 von insgesamt 107 000 Medizinstudenten kein Abitur.

„Die Kombination von Berufs- und Hochschulbildung wird immer mehr zum Normalfall“, sagte CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele. „Gelernte Krankenpfleger oder Handwerksmeisterinnen sind heute keine Exoten mehr auf dem Campus, sondern gehören zur selbstverständlichen Vielfalt der Studierenden an deutschen Hochschulen.“

55 Prozent sind Männer

Männer sind bei den Studierenden ohne Abitur mit 55 Prozent etwas mehr vertreten als Frauen mit 45 Prozent. Fast jeder Zweite ist laut der CHE-Erhebung älter als 30 Jahre. Die 30- bis 40-Jährigen sind mit einer Quote von rund einem Drittel relativ häufig anzutreffen.

Die Zahl derjenigen, die ein Studium ohne Abitur erfolgreich abschließen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. 2016 erreichte sie mit 7200 Absolventen ihren vorläufigen Höchstwert.

Vordere Plätze beim Anteil der Studienanfänger ohne Abitur belegen Hamburg (4,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (4,2 Prozent) und Berlin (3,6 Prozent). Schlusslicht ist laut CHE das Saarland mit lediglich 0,8 Prozent.