Vom Gesellen zum meister - und danach zur Uni? Foto: Moritz

Auch Handwerks- oder Metzgermeister dürfen künftig ohne Eignungsprüfung studieren.

Stuttgart - Deutschland braucht Akademiker. Warum sollen also nicht auch Handwerksmeister den Hochschulabschluss nachholen? Die Landesregierung will dafür jetzt die letzten Hürden beseitigen.

Studieren ohne Abitur? Die Landesregierung macht's möglich. Ein jetzt vom Ministerrat beschlossener Gesetzesentwurf räumt für Meister, Techniker und ähnlich Qualifizierte auch noch die letzte Hürde vor dem Hörsaal weg: die Eignungsprüfung. Künftig kann also auch der Metzgermeister ohne weiteres Medizin studieren.

Um das Bildungssystem noch durchlässiger zu machen, sollen darüber hinaus auch Berufstätige ohne Meisterprüfung studieren können. Für sie bleibt allerdings die Eignungsprüfung bestehen. Sie umfasst schriftliche Tests in Deutsch und Englisch, eine weitere schriftliche Prüfung im angestrebten Studienfach sowie ein Prüfungsgespräch. Voraussetzungen für diesen Bildungsweg sind ein erfolgreicher Abschluss einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung und eine dreijährige Berufserfahrung - und zwar in einer Branche, die fachlich dem angestrebten Studiengang entspricht.

So weit die Theorie. In der Praxis jedoch werden nur die wenigsten Berufstätigen den beschwerlichen Hochschulweg bewältigen können - zumal an einer Universität. Die Landesrektorenkonferenz hat in der jüngsten Anhörung des Entwurfs denn auch davor gewarnt, überzogene Erwartungen zu wecken. Ein Meisterbrief hat zwar künftig als Studienberechtigung formal dieselbe Qualität wie das Abitur, doch das gilt keinesfalls für die Inhalte.

Vor allem in den Natur- und Ingenieurwissenschaften werden solide Kenntnisse in Mathematik und Physik auf Abiturniveau erwartet. Entweder der Studierwillige bringt sie mit, oder er eignet sie sich neben seiner Berufstätigkeit an - eine Ochsentour. "Es erfordert Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft, dies im Selbststudium nachzuholen", warnen die Rektoren. Die Gefahr des Scheiterns sei deutlich höher als bei einem Studienanfänger, der die Grundkenntnisse bereits mitbringe.

Handwerk hält Reform für überfällig

Aus gutem Grund schreibt der Gesetzgeber für alle Seiteneinsteiger schon jetzt eine studienfachliche Beratung vor. Diese habe sich als Instrument der Orientierung und zur Festigung der Studienentscheidung bewährt und solle beibehalten werden, heißt es in dem Gesetz, das der Landtag noch im Frühjahr verabschieden will.

Die Rektoren gehen noch weiter. Wenn Meister schon keine Eignungsprüfungen mehr ablegen müssen, die ihnen einen realistischen Eindruck von ihrem Kenntnisstand vermitteln, dann sollten die Bewerber wenigstens durch intensive Vorbereitungskurse auf das Studium vorbereitet werden. Im Studium selbst seien weitere Hilfsangebote nötig, damit die Bewerber nicht am Ende ins Bodenlose fallen.

Auch Baden-Württembergs Handwerkstag, der die Reform grundsätzlich begrüßt, hat sich Gedanken über die Konsequenzen gemacht. Zwar erwartet Hauptgeschäftsführer Hartmut Richter nicht, dass jeder dritte Flaschner- oder Schreinermeister seine Werkstatt mit dem Hörsaal tauscht. Doch wenn man schon den Berufstätigen diesen Weg aufzeige, dann müsse man ihn auch gangbar machen.

"Wir sollten über spezifische Studiengänge für Praktiker nachdenken, die es bisher noch gar nicht gibt", sagt Richter. Er denkt etwa an die Berufsfelder der erneuerbaren Energie oder der Altbausanierung, die für Handwerksmeister eine ideale Ergänzung wären. "Es muss eine neue Mischung aus Theorie und Praxis sein, denn sonst entwertet man den Erfahrungsschatz der Berufstätigen", sagt Richter.

Solche Studiengänge werden denn auch weniger an den Universitäten als an den "Hochschulen für angewandte Wissenschaften" angesiedelt sein, wie die bisherigen Fachhochschulen künftig heißen. Auch der Masterabschluss ist nicht unbedingt das Ziel eines Meisters, sondern eher der sechssemestrige Bachelor.

Auch wenn keine neue Studentenwelle auf die Hochschulen zukommt - grundsätzlich hält das Handwerk die Reform für überfällig. "Wir signalisieren Eltern, die vor der Entscheidung stehen, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken, dass das Bildungssystem durchlässig ist", sagt Richter. Nach dem Motto: Studieren kann man immer noch. Dass dies keine Fiktion ist, zeigen die Studentenzahlen: Im Studienjahr 2009/2010 haben immerhin 190 Meister ein Hochschulstudium aufgenommen.