Eine Hochschule sollte ihren Studenten nicht nur spezialisierte Kenntnisse, sondern auch eine breite Grundlagenausbildung vermitteln. Foto: dpa

Deutsche Hochschulen bieten immer speziellere Studiengänge an. Das täuscht Praxisbezug nur vor. Sie sollten sich eher darauf konzentrieren, echte Bildung zu vermitteln, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

Stuttgart - Wenn sich heute ein junger Mensch für ein Hochschulstudium interessiert, hat er die Qual der Wahl: Immer mehr Studiengänge, deren Zuschnitt oft immer kleinteiliger ausfällt. Knapp 2700 Studiengänge im Land, mehr als 19000 im Bund. Tendenz weiter steigend. „Accessoire Design“ oder „nachhaltiges Produktmanagement“ gelten als vollwertige Bachelor-Studiengänge. Alles halb so wild, wiegeln die Verteidiger dieser Art von akademischer Vielfalt, auch im zuständigen grünen Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer ab. Dahinter steckt auch die Denke, dass nur ein Hochschulstudium soziale Mobilität und wirtschaftliche Dynamik ermöglicht.

Enge Nischenbindung täuscht Praxisbezug nur vor

Doch manche Wissenschaftsvertreter laufen dagegen Sturm. Zu Recht verweisen sie darauf, dass das zunehmende Angebot für Schüler und Studenten immer undurchschaubarer wird, dass die fachliche Einengung die Allgemeinbildung der Hochschulabsolventen gefährdet. Und – vielleicht der wichtigste Einwand: Die enge Nischenbildung täuscht den Praxisbezug nur vor. In Wahrheit aber erschwert sie Berufseinstieg und weitere berufliche Entwicklung.

Der Einwand der Verteidiger des Wildwuchses, die stets auf die niedrige Akademikerarbeitslosigkeit verweisen, sticht nicht. Denn diese allein sagt noch nichts über die tatsächlichen Tätigkeiten der Absolventen und über den Nutzen ihres Studiums aus. In den USA gibt es auf Bachelor-Ebene keine Spezialisierung. Im Gegenteil. Gute Colleges sind stolz auf ihre breite Grundlagenausbildung. Wer international mithalten will, muss fundamentale Fähigkeiten vermitteln. Nicht das kleine Karo, sondern das große Ganze. Das haben US- Universitäten schon lange erkannt – deutsche Hochschulleitungen und die Politik leider nicht.