Menschen mit Migrationsgeschichte vor der Kamera: Das kommt vor, aber nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil. Foto: imago/Jose Carlos Ichiro

Die Abendnachrichten sind weißer und männlicher als der deutsche Durchschnitt, ergibt eine aktuelle Erhebung. Und Menschen mit Behinderung kommen fast gar nicht vor. Aber ein bisschen was tut sich.

Berlin - Was Minderheiten in Deutschland angeht, gibt es klare Zahlen: Knapp 27 Prozent der Menschen haben eine Migrationsgeschichte, ein Elternteil oder sie selbst sind also im Ausland geboren. 7,9 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer schweren Behinderung, das sind fast zehn Prozent der Bevölkerung. Und es gibt knapp mehr Frauen als Männer in der Bundesrepublik.

Aber wer die Abendnachrichten schaut, sieht etwas anderes. Dort ist die Welt männlicher, weißer und so gut wie nie beeinträchtigt. Das ergibt eine Auswertung der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Der Verein hat zwei Monate lang, bis eine Woche nach der Bundestagswahl, die Abendnachrichten von ARD, ZDF und RTL analysiert.

Menschen mit Behinderung kommen fast gar nicht vor

Die konkreten Zahlen sehen so aus: Insgesamt zehn Prozent der Menschen, die zu Wort kamen, sind Personen, die durch ihren Namen, Akzent oder Betitelung migrantisch wahrgenommene Personen. Und nur vier Prozent der Parteivertreter in den untersuchten Nachrichtensendungen hatten einen erkennbaren Migrationshintergrund, während das im neuen Bundestag auf elf Prozent der Abgeordneten zutrifft. Auch Frauen kommen verhältnismäßig selten zu Wort, nur halb so oft wie Männer. Noch weniger sichtbar waren erkennbar religiöse Menschen (0,5 Prozent) und Menschen mit einer sichtbaren Behinderung (0,7 Prozent). Und Letztere seien auch nur vorgekommen, weil im Untersuchungszeitraum die Paralympics in Tokio stattgefunden hätten, sagt die Journalistin Judyta Smykowski.

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Was sollten Medien daraus lernen? „Die Nachrichten sind für alle Menschen da, sie sollen die Gesellschaft auch zeigen, wie sie ist“, sagt der Journalist Chiponda Chimbelu, der an der Erhebung mitarbeitete. „Wenn ganze Menschengruppen weggelassen werden, fehlen auch deren Perspektiven“. Dass Minderheiten in den Nachrichten unterrepräsentiert sind, müsste nicht mit böser Absicht zu tun haben, aber Medien müssten sich damit auseinandersetzen. „Es ist ein schwieriges Thema, aber das kann man ruhig auch so nach außen kommunizieren“, sagt Chimbelu.

ARD und ZDF verwiesen darauf, dass man bemüht sei, die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden, mit manchen Fortschritten und manchen Baustellen. Wie Vielfalt funktionieren kann, zeigen etwa die jungen öffentlich-rechtlichen Formate von Funk, etwa mit Leeroy Matata, der seine Gesprächspartner vom Rollstuhl aus befragt – was auch nicht versteckt wird. „Es ist in den letzten Jahren viel passiert“, sagt Chimbelu. „Aber das ist nicht genug.“