320 000 Wohnungen fehlen jedes Jahr in Deutschland, laut einer neuen Studie. Die meisten davon in den Großstädten, wo die Wohnungsmärkte bereits angespannt sind.
Die kommende Koalition hat sich viel vorgenommen: „Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten“, heißt es im Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD. Es ist ein Versprechen, das viele Menschen nicht zum ersten Mal hören.
Auch die vorherige Bundesregierung hatte große Pläne: 400 000 Wohnungen pro Jahr wollte sie bauen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) schuf sogar zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein eigenständiges Bauministerium. Sein Versprechen hat Scholz nicht erfüllt. Die Krise am Wohnungsmarkt hat sich vielerorts noch verschlimmert.
Wo besonders viele Wohnungen fehlen, weiß man nun dank einer neuen Studie noch genauer. Erstellt hat sie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesbauministeriums. Die Forscher haben den Bedarf für jede Stadt und jeden Landkreis separat ausgewiesen.
Die Lage ist je nach Region sehr unterschiedlich
Insgesamt fehlen demnach für ganz Deutschland bis 2030 exakt 316 700 neue Wohnungen pro Jahr. Doch die Studie zeigt klar, dass die Lage je nach Region sehr unterschiedlich ausfällt. Besonders groß ist der Mangel an Wohnraum in den sieben größten deutschen Städten Berlin, München, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Köln und Düsseldorf. Allein dort wird rund ein Fünftel der neuen Wohnungen gebraucht.
Doch dieser Bedarf wird aktuell nicht gedeckt. 2023 wurden deutschlandweit 294 000 Wohnungen fertiggestellt. Experten gehen davon aus, dass die Zahl für 2024 noch einmal deutlich darunter liegt.
Neben den Großstädten wird ein großer Bedarf an Wohnraum auch in den Speckgürteln rund um die Ballungszentren prognostiziert. In einigen Regionen wird die Bevölkerungszahl hingegen abnehmen. Das betrifft viele Regionen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, im Saarland, im südlichen Niedersachsen oder in Teilen von Nordrhein-Westfalen. In Bayern und Baden-Württemberg gibt es hingegen ländliche Regionen, die wirtschaftlich stark sind und wo der Bedarf an Wohnraum weiter steigen soll.
Weiteres Bevölkerungswachstum in Aussicht
Die Autoren der Studie prognostizieren, dass die Bevölkerung in Deutschland bis zum Ende dieses Jahrzehnts wachsen wird. Danach bleibt die Einwohnerzahl etwa gleich oder schrumpft bis 2045 leicht. Das bedeutet allerdings offenbar nicht, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt. „Durch den anhaltenden Trend der Singularisierung und Alterung nehmen kleinere Haushaltsgrößen zu. Dadurch steigen die Haushaltszahlen trotz stagnierender oder sinkender Bevölkerungszahl“, heißt es in der Studie. Die Nachfrage nach Wohnraum werde also weiter wachsen, besonders weil eine größere Zahl an kleineren Wohnungen gebraucht werde.
Auftraggeber der Studie ist das Bundesbauministerium von Klara Geywitz (SPD). Dort erhofft man sich mittels der neuen Daten, „die Zielgenauigkeit ihrer Wohnungsbaupolitik weiter zu erhöhen“, sagte ein Sprecher. Auch in der kommenden Legislaturperiode müsse bezahlbarer Wohnraum dort entsteht, wo er gebraucht werde.
Doch es gibt auch Kritik an der Studie. Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. in Kiel, bezweifelt die Grundaussage Studie. „Die Prognosen, die in der Vergangenheit ein Absinken der Bevölkerungszahlen vorhergesagt haben, lagen stets daneben“, sagte er. Er rechne damit, dass die Bevölkerung auch langfristig weiter ansteigen werde – und damit auch der Bedarf an Wohnraum.
Die Wohnungspolitik müsse sich vor allem auf die Ballungsgebiete konzentrieren. „In vielen Städten ist die Lage schon heute dramatisch, dort haben wir komplett überlastete Wohnungsmärkte und massive Verdrängung“, sagte Walberg. Deswegen müsse die Förderung umgestellt werden. „Entscheidend ist, dass einfacher gebaut wird. Das ist am effektivsten, um Kosten zu senken“, sagte er.
Weniger Aufträge in der Bauwirtschaft
Damit überhaupt weiter gebaut werden kann, müssten zudem die Kapazitäten in der Bauwirtschaft erhalten bleiben. Viele Betriebe verzeichneten in den letzten Jahren weniger Aufträge. Dennoch sieht Walberg auch Grund zur Hoffnung: „Mit dem neuen Sondervermögen für Infrastruktur gibt es immerhin eine attraktive wirtschaftliche Perspektive für die Bauunternehmen.“