Deutschland wird sein Klimaziel 2020 nicht rechtzeitig erreichen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat. Foto: dpa/Oliver Berg

Im Jahr 2020 soll Deutschland 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990 – so lautet ein wichtiges Ziel der Regierung. Eingehalten wird es nicht, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnet.

Berlin - Deutschland wird einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge mit dem Klimapaket sein Klimaschutz-Ziel für 2020 frühestens mit rund fünf Jahren Verspätung erreichen. Die Untersuchung hat Greenpeace in Auftrag gegeben. Auch die Technische Universität Berlin war beteiligt. Die Experten schätzen ein, was die vor allem für die Bereiche Verkehr und Gebäude geplanten Anreize und Vorgaben bringen, und wie der Stromsektor sich entwickelt, wenn die Empfehlungen der Kohleausstiegs-Kommission umgesetzt werden. Ihr Fazit: Die hinterlegten Maßnahmen erreichten den Treibausgas-Zielwert für 2020 „frühestens um das Jahr 2025“.

Deutschland hat das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dieses Ziel hat die deutsche Bundesregierung im November 2016 mit dem Klimaschutzplan 2050 bestätigt und präzisiert. 2020 werden dem Projektionsbericht zufolge nur 33,2 Prozent Minderung erreicht.

Was steht in dem Gutachten zum Klimaschutzpaket?

Der geplante CO2-Preis zur Verteuerung von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas sei in den ersten Jahren noch zu niedrig, um umfassend zu wirken, heißt es in dem Kurzgutachten des DIW. Auch die geplante Förderung der Elektromobilität und der Bahn werde erst mittelfristig helfen, den Klimaschutz voranzubringen. Allerdings ist die Ausgestaltung mancher Vorhaben der schwarz-roten Koalition noch offen – etwa, wie stark die Kfz-Steuer künftig klimafreundlichere Autos begünstigt und solche mit hohem Spritverbrauch für die Besitzer teurer macht.

Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid sagte: „Mit ihrem so genannten Klimaschutzpaket drückt sich die Bundesregierung weitere Jahre davor, den deutschen CO2-Ausstoß endlich deutlich zu senken.“ Die Emissionen müssen im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen sinken und der Kohleausstieg bis 2030 abgeschlossen werden.

Worum geht es im Klimaschutzpaket der Regierung?

Die Bundesregierung hatte ihr Klimaschutzpaket Ende September vorgestellt. Wissenschaftler und Umweltverbände hatten das Paket massiv kritisiert, weil es aus ihrer Sicht nicht weit genug ginge und die Maßnahmen sich teilweise konterkarierten. Unter anderem ging es um den C02-Preis, der laut Klimaschutzprogramm der Regierung von 2021 an zehn Euro pro Tonne betragen soll. Bis 2025 soll er auf 35 Euro pro Tonne steigen. Ab 2026 sollen ein Stück weit Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, aber zunächst mit einer Obergrenze bei 60 Euro. 25 Euro pro Tonne würde zum Beispiel bedeuten, dass Diesel und Heizöl um etwa 11 Cent pro Liter teurer würden, Benzin um nicht ganz zehn Cent – das entspricht also nur Preisschwankungen, wie Verbraucher sie heute schon an der Zapfsäule kennen.

Lesen Sie hier: Die wichtigsten Punkte des Klimaschutzprogramms im Überblick

Was sagen Kritiker zu dem Paket?

Kritiker, wie zum Beispiel die Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), monieren, dass ein Einstiegspreis von 10 Euro pro Tonne CO2 viel zu zaghaft sei. Selbst nach dem Anstieg auf 35 Euro pro Tonne werde der CO2-Preis kaum eine Lenkungswirkung entfalten. Weil die weitere Entwicklung des CO2-Preises nach 2026 erst im Jahr 2025 festgelegt werden soll, fehle zudem langfristige Planungs- und Investitionssicherheit. „Im Ergebnis wird der CO2-Preis nur eine sehr geringe Wirkung auf Investitionen und Innovation haben“, schreiben Wissenschaftler des PIKs in einer Bewertung des Klimapakets der Regierung.

Kritik kam auch aus der Wirtschaft. So sagte die Präsidentin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Marie-Luise Wolff: „Gerade bei den zentralen Hebeln einer wirksamen Klimapolitik ist das Paket unzureichend. Ein CO2-Preis mit Lenkungswirkung muss spürbar sein – die Bundesregierung hingegen will einen Preis, der nichts verändert.“

Wie geht es mit dem CO2-Preis jetzt weiter?

Trotz der Kritik: Den entsprechenden Gesetzesentwurf für den CO2-Preis hat das Kabinett vor rund einer Woche beschlossen. Ziel ist es, klimaschädliche Heiz- und Kraftstoffe teurer zu machen. Demnach sollen künftig mehr als 4000 Unternehmen, die Sprit, Heizöl oder Erdgas in Deutschland in den Verkehr bringen, Verschmutzungsrechte kaufen. Die Firmen sollen künftig ermitteln, wie viele Treibhausgase durch die von ihnen in einem Jahr in Verkehr gebrachten Brennstoffe entstanden sind, und dies bis 31. Juli des folgenden Jahres mitteilen. Bis 31. August müssten die Unternehmen demnach dann entsprechende Zertifikate vorlegen.

Was für einen CO2-Preis fordern die Grünen?

Die Grünen wollen dem Klimakurs der Koalition indes deutlich weitergehende Forderungen beim CO2-Preis, bei Energie, Verkehr und Landwirtschaft entgegensetzen. Im Bereich Verkehr und Wärme sollten die Energiesteuern mit einer CO2-Komponente reformiert werden, wobei der Einstiegspreis hier bei 40 Euro pro Tonne liegen und 2021 auf 60 Euro steigen solle, heißt es in einem Antrag des Bundesvorstands für den Grünen-Parteitag im November in Bielefeld.

Die Parteichefin Annalena Baerbock sagte: „Während die GroKo alles nach hinten schiebt und entsprechend in Kauf nimmt, dass Deutschland in den Jahren 2019 bis 2025 kaum etwas einspart, geschweige denn in den Jahren zuvor, geht unser Ansatz darauf, möglichst schnell möglichst große Budgeteinsparungen vorzunehmen.“ Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass der CO2-Preis weiter planbar ansteigt. Dafür solle in Deutschland ein unabhängiges Gremium sorgen. „Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein“, heißt es weiter. Zunächst solle jeder Bürger dadurch 100 Euro erhalten. Der Parteitag der Grünen findet Mitte November in Bielefeld statt.