Ab welchem Alter jemand als alt bezeichnet wird, scheint davon abzuhängen, ob man einen Mann oder eine Frau fragt. Woran das liegt? Eine neue Studie gibt Antworten.
Ab wann ist jemand alt? Diese Frage beantworten Frauen im Schnitt mit einer höheren Zahl als Männer. Das hat eine Studie unter deutscher Beteiligung ergeben, die am Montag (22. April) im Fachblatt „Psychology and Aging“ veröffentlicht worden ist.
Frauen leben länger als Männer
„Frauen setzen den Beginn des höheren Alters im Durchschnitt ungefähr zweieinhalb Jahre später an“, sagt Studienautor Markus Wettstein von der Berliner Humboldt-Universität. Das könne damit zusammenhängen, dass Frauen im Schnitt länger leben.
Eine weitere Erklärung sei, dass Frauen im Alter mehr stigmatisiert würden als Männer, erklärt der Psychologe. Der Beginn des Altseins werde deswegen höher gesetzt, um sich von dem negativen Bild abzugrenzen.
Die Untersuchung von Wissenschaftlern der Humboldt-Universität, der Stanford-Universität, der Universität Luxemburg und der Universität Greifswald basiert auf Daten des Deutschen Alterssurvey, einer bundesweit repräsentativen Befragung von Personen, die 40 Jahre und älter sind. Die Forscher werteten Daten von rund 14 000 Menschen aus, die zwischen 1911 und 1974 geboren wurden.
Altsein wird heute anders beurteilt als früher
Die zentrale Frage dabei: Ab welchem Alter würden Sie jemanden als alt bezeichnen? Wettstein und sein Team fanden heraus, dass Altsein für Erwachsene heute gefühlt später beginnt als für Menschen, die in früheren Jahrzehnten geboren wurden.
Demnach hatten 65-Jährige, die 1955 zur Welt kamen, das subjektive Empfinden, dass Altsein im Schnitt mit 75 Jahren beginnt. Für 65 Jahre alte Menschen, die bereits 1911 geborenen wurden, begann Altsein dem Modell der Wissenschaftler zufolge gefühlt schon mit 71.
Höhere Lebenserwartung
Womit hängt das zusammen? „Ein Punkt ist sicherlich, dass die Lebenserwartung in den letzten Dekaden angestiegen ist“, betont Wettstein.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge hatten beispielsweise 65-jährige Männer in den Jahren 1901 bis 1910 im Schnitt noch 10,4 Jahre zu leben, gleichaltrige Frauen rund 11 Jahre. 1960 bis 1962 waren es in Westdeutschland für gleichaltrige Männer bereits 12,4 und für Frauen 14,6 weitere Jahre. In den Jahren 2019 bis 2021 waren es bei Männern 17,8 Jahre, bei Frauen rund 21.
Zuletzt hat sich der Anstieg der Lebenserwartung den Angaben zufolge aber verlangsamt. Dementsprechend verlangsamt sich laut Wettstein auch der Trend eines später wahrgenommenen Altersbeginns.
Längeres Rentenalter
Eine weitere Begründung für die Entwicklung sei, dass der Beginn der Rente typischerweise mit Altsein in Verbindung gebracht werde, das Rentenalter im Laufe der Jahre aber gestiegen sei, so Wettstein. Hinzu käme, dass alte Menschen heute im Schnitt gesünder und fitter seien als früher und dadurch länger jung wirkten.
Nicht nur eine Frage der Generation
Die Teilnehmer des Alterssurveys wurden über die Jahre hinweg mehrfach befragt. Wettstein zufolge stellten die Wissenschaftler bei der Auswertung der Daten ein weiteres Phänomen fest. „Wenn eine Person älter wird, schiebt sie den Beginn des höheren Alters immer ein bisschen weiter nach hinten." Ein Beispiel: Eine 60-jährige Frau, für die Altsein eigenen Angaben zufolge mit 74 Jahren beginnt, findet mit 65 Jahren, dass das Alter erst mit 75 losgeht.