Serafina Guidara hat oft geschwiegen – nur in einem Fall nicht. Foto: WFV

Zuletzt hat es wieder vermehrt Auswüchse im Amateur-Fußball gegen Schiedsrichter gegeben, wobei Frauen weniger Vorfälle melden als ihre männlichen Kollegen.

Stuttgart - „Zielscheibe Schiedsrichter – immer noch!?“, lautet der Titel einer Studie von Thaya Vester, der aktuell große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es gab zuletzt den Streik der Referees in Berlin und parallel dazu in einem Kreisligaspiel in Hessen einen Angriff gegen einen Unparteiischen, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Nicht zuletzt aus diesen unerfreulichen Anlässen wurde nun auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf Vester aufmerksam, die schon seit Jahren mit dem Württembergischen Fußballverband (WFV) zusammenarbeitet. Auf der Fahrt nach Frankfurt legte sie am Donnerstag einen Stopp in Stuttgart ein.

Dabei bestätigte die Doktorandin der Sportwissenschaften, dass sich die Zahlen zwischen den Spielzeiten 2011/12 und 2016/17, den beiden erhobenen Zeiträumen, nicht wesentlich unterscheiden, was die Anzahl an Beleidigungen oder Spielabbrüchen angeht. Wobei ein Indikator doch auffiel. Denn die weiblichen Unparteiischen, die drei Prozent der etwa 2200 Befragten ausmachen, „neigen wohl eher dazu, die Fehler bei sich zu suchen“, so Vester. Folge: die Frauen in Schwarz melden weit weniger Vorfälle als ihre männlichen Kollegen, etwa mit der Begründung: Ich wusste gar nicht, dass man so etwas melden kann oder muss. Lesen Sie auch: Schiedsrichter immer wieder Freiwild

Die bestätigte nun auch Serafina Guidara aus Nürtingen. Wenn die üblichen Sprüche fallen wie „die Frau gehört doch in die Küche“ schaltet sie einfach auf Durchzug, getreu dem Schiedsrichter-Motto: Du sollst alles sehen, aber nicht alles hören. Aber alles hat seine Grenzen, weshalb Guidara eben doch mal eine Ausnahme machte, nämlich als die Beleidigung unterhalb der Gürtellinie lag – im sexuellen Bereich. Da ist sie über ihren Schatten gesprungen und hat den Vorfall gemeldet, woraufhin der betroffene Spieler für mehrere Wochen gesperrt worden ist. „Das war sehr unangenehm“ sagt Guidara, „und ich wollte einfach, das der Spieler so etwas nie wieder sagt.“

Nach einer kleinen Pause an der Pfeife, in der die Schiedsrichterin den Kopf wieder klar bekommen wollte, leitet sie inzwischen wieder Spiele, „weil es mir einfach Spaß macht“. Und weil sie von Freunden, aber auch vom Verband jegliche Hilfe bekommen habe, die man in so einem Fall braucht. Ihr Fazit: „Wer genug Unterstützung bekommt, denkt nicht daran aufzuhören.“ Dann ist die Liebe zum Sport einfach größer.

Ähnlich sieht es auch ihr bekannter Kollege Markus Schmidt, der sich noch gut an seine Anfänge im Jugendbereich erinnert – nicht immer positiv. „Da gab es schon unangenehme Situationen, wenn man auf der Straße oder im Bus erkannt oder verfolgt worden ist.“ Deshalb gilt für den Stuttgarter Bundesliga-Schiedsrichter eine Maxime: Die körperliche Unversehrtheit hat absolute Priorität, was nicht heißen soll, dass Beleidigungen einfach hingenommen werden. Dennoch sagt auch Schmidt: „Die positiven Seiten überwiegen.“

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Nachdem zuletzt der Sportdirektor des Deutschen Handball-Bundes, Axel Kromer, im Zusammenhang mit dem Angriff auf Trainer Christian Streich eine Null-Toleranz-Grenze gegenüber Schiedsrichtern gefordert hat, gibt Schmidt zu bedenken: „Da müssen alle mitziehen, auch Vereine und Medien.“ Man stelle sich mal vor, er stelle in einem Spiel wegen jeder kleinen Äußerung drei Mann vom Platz, was dann los sei. „Im Moment ist das nicht gewollt. Handball hat da eine andere Kultur.“

Überhaupt erfordere das Thema einen Kulturwandel, so Schiedsrichter-Lehrwart Jochen Härdtlein vom WFV – das werde Jahre dauern. Was vielleicht Thaya Vester zu einer weiteren Studie animieren wird.