Komatöse Jugend? Eher die Ausnahme, sagt eine Studie der Fachhochschule Aalen. Foto: dpa

Nächtliches Verkaufsverbot  wird laut einer Befragung weitgehend und ohne Murren akzeptiert.

Stuttgart - Die Richter in Karlsruhe haben es bestätigt, die Tankstellenbetreiber wollen dagegen klagen: das nächtliche Alkoholverkaufsverbot im Südwesten. Nun hat sich die erste Hochschule mit dem strittigen Thema auseinandergesetzt und Überraschendes zum Trinkverhalten junger Menschen herausgefunden.

Seit dem 1.März darf von 22 bis 5 Uhr kein Alkohol mehr in Baden-Württemberg verkauft werden - jedenfalls nicht an Tankstellen, in Supermärkten und an Kiosken. Offiziell, um damit "alkoholbeeinflusste Straten und Ordnungsstörungen im öffentlichen Raum während der Nachtzeit wirksamer als bisher entgegenzutreten", wie es im Innenministerium in Stuttgart heißt und wie es Ministerialrat Matthias Strohs erst kürzlich in einer juristischen Fachzeitschrift geschrieben hat.

Sollte das Gesetzt nicht Komasaufen eindämmen?

Doch war da nicht was mit nächtlichen Saufgelagen von Jugendlichen, die das Land eindämmen wollte? Ja, genau deshalb ist das Gesetz in Kraft getreten, behauptet jedenfalls eine Gruppe von Studenten der Hochschule Aalen. Gelingt das tatsächlich?, fragten sich die Jung-Wissenschaftler und wollten deshalb untersuchen "ob das Gesetz auch tatsächlich wirkt?"

Seit viereinhalb Monaten gilt das Gesetz. Ob diese Frage nach viereinhalb Monaten ausreichend beantwortet werden kann, sei dahingestellt - zudem ohne Polizeistatistik. Viel besser untersuchen lässt sich die Fragen, "wie das Gesetz bei den Jugendlichen ankommt", wie es Ulrich Holzbaur ausdrückt. Er arbeitet als Professor an der Hochschule Aalen und hat die Studie begleitet. Angeleitet hat er fünf angehende Wirtschaftsingenieure aus dem ersten und vierten Semester, die Anfang April mit ihren Untersuchungen begannen. Ihr Fragebogen ging an 850 Schüler aus dem Ostalbkreis, alle 16 bis 19 Jahre alt.

Wer unter 16 ist, trinkt kaum

"Ein Ergebnis sorgte gleich zu Beginn für eine große Überraschung", sagt Holzbauer. Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, in den vergangenen vier Wochen keinen Alkohol getrunken zu haben. Berthold Weiß, der Suchtbeauftragte des Ostalbkreises, sagt: "Für die Prävention ist dies ein wichtiges Ergebnis." Bei den unter-16-Jährigen betrug dieser Anteil mehr als 60 Prozent. "Damit können wir eindeutig sagen, dass Alkoholkonsum bei den unter 16-Jährigen eher die Ausnahme als die Regel ist", sagt Weiß. So wenig die Jugendlichen offenbar Alkohol trinken, so überzeugt sind sie vom neuen nächtlichen Verkaufsverbot. Bei 58,5 Prozent der Befragten gibt es eine hohe bis sehr hohe Akzeptanz des Gesetzes. Und was könnte die Zukunft bringen? 52,4 Prozent halten die möglichen Auswirkung des Verkaufsverbots für vorteilhaft bis sehr vorteilhaft.

Sie trinken zwar nicht so viel wie vielleicht angenommen, doch wenn, dann kennen die Jugendlichen keine Grenzen. 65,1 Prozent der 16- und 17-Jährigen konsumieren verschiedene Alkoholika am liebsten: Bier und Wein sowie branntweinhaltige Getränke, das heißt klare Schnäpse, Liköre, Whiskey und Mixgetränke, auch Alkopops genannt.

Kaum ein Jugendlicher kauft an der Tankstelle

"Interessant war auch die Frage, woher die Jugendlichen ihren Alkohol beziehen", sagt Holzbaur. Nur ein Prozent der Befragten antworteten, diesen bei bei Tankstellen zu kaufen. Mehr als 50 Prozent gehen zum Supermarkt, um sich dort mit Hochprozentigem zu versorgen. Diese Erkenntnis zeige, "dass das Verkaufsverbot an Tankstellen nicht den erhofften Erfolg bringen wird", sagt Holzbaur. Auswirkungen auf Kauf- und Konsumverhalten bei Jugendlichen seien zumindest im Raum Aalen nicht festzustellen.

Eine Sprecherin des Innenministeriums wies am Dienstag die Kritik der Hochschule Aalen zuück. Mit dem neuen Gesetz wolle man nicht etwa Saufgelage verhindern, wie von den Studenten behauptet, sondern "Straftaten, die unter Alkoholeinfluss begangen werden und Ruhestörungen im öffentlichen Raum".

Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) hatte vor kurzem eingeräumt, dass sich ganztägig geöffneten Tankstellen auf Umsatzeinbußen einstellten müssten - das Verbot könne bei einzelnen Tankstellen ein jährliches Minus von 18.000 Euro bedeuten.