Die Kormoran-Population am Neckar ist den Anglern zu groß Foto: dpa

Der Altneckar ist die Kinderstube unserer Fische. Sobald sie aber fangfähige Größen erreicht hätten, schnappe sie sich der Kormoran. Das sagt Roland Schiele vom Verein Fischerei-Hegebereich Neckar VII, der nun eine Studie über den Zustand des Flusses vorgelegt hat.

Ludwigsburg - Der Altneckar ist die Kinderstube unserer Fische“, sagte Roland Schiele. Sobald sie aber fangfähige Größen erreicht hätten, schnappe sie sich der Kormoran. Schiele ist Schriftführer des Vereins Fischerei-Hegebereich Neckar VII, einem Zusammenschluss aus sechs Fischervereinen, der den Fluss zwischen Freiberg und Besigheim auf einer Wasserfläche von 130,5 Hektar fischereilich bewirtschaftet. „Wir waren an einem Punkt angelangt, wo wir nicht mehr wussten, wie wir den Neckar in Zukunft bewirtschaften“, sagte der Vereinsvorsitzende Hans-Rainer Würfel.

Deshalb gab der Verein eine Studie in Auftrag. Am Dienstag trug der Diplom-Fischereiingenieur Hubert Wnuck seine Ergebnisse im Ingersheimer Rathaus vor. Seine Befunde: Der Neckar ist im untersuchten Bereich zu warm, er braucht zusätzliche Stillgewässer und hat ein „Kormoranproblem“. In allen Punkten sei nun der Mensch gefragt.

In den 1930er-Jahren habe die Durchschnittstemperatur des Neckars im Sommer zwischen 14 und 22 Grad Celsius gelegen. Heute betrage sie bis zu 27 Grad. Gründe dafür seien Aufstauungen und die Entnahme von Kühlwasser, beispielsweise für Kraftwerke. Das wärmere Wasser sei ein Problem für Kaltwasser liebende Fische wie die Bachforelle. Andere Fische wie Karpfen oder Brachsen laichten nun im Neckar, obwohl sie eigentlich stehende Gewässer bevorzugten. Auch die Population des Wels sei deswegen „explodiert“. Dieser große Süßwasserfisch frisst gerne auch kleinere Fische oder sogar Jungvögel.

Gefahr droht den Fischen auch aus der Luft: der Kormoran habe sich so gut entwickelt, dass er nun regelrecht schade. Wnuck belegte dies mit Zahlen: Wo die Angler in den 1980er-Jahren noch etwa 15 000 Fische fingen, seien es heute nur noch 2000. Eine etwa 200 Vögel große Kormoran-Kolonie am Pleidelsheimer Baggersee brauche pro Jahr etwa 36 Tonnen Fische – das Achtfache dessen, was die Angler früher im Fischereibereich abschöpfen durften, ohne die Bestände zu schädigen. Wnuck empfahl eine Reduzierung der Kormoran-Kolonie auf 35 Vögel. Wie genau er das erreichen wollte, ob mit gezielten Abschüssen oder durch Vergrämung, dabei hielt sich Wnuck allerdings zurück. Das sei Sache der Vogelschützer.

Die wiederum waren keinesfalls begeistert von der Idee der Dezimierung. Claus König, Ehrenpräsident des Naturschutzbunds NABU, fügte an, dass die Population sich selbst regulieren würde. Unter den Vögeln der Kolonie sei aggressives Verhalten zu beobachten. Auch Conrad Fink vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland setzte auf die Eigenregulation. Gezielte Abschüsse seien ohnehin verboten, denn die Kormorane nisteten in einem Naturschutzgebiet.

Wnuck möchte den Altneckar für Fische attraktiver machen. Größere Laichzonen böte ein neues Stillgewässer. Hierfür empfahl Wnuck die Grundstücke zwischen dem schiffbaren Neckarkanal und dem Freiberger und Pleidelsheimer Altarm nordwestlich der Autobahnbrücke Freibergs. Außerdem müsse der Mindestabfluss im Altneckar von der Beihinger Schleuse an auf mindestens zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde erhöht werden. Das böte ein „hohes ökologisches Potential“ für strömungsliebende Fischarten. Würde man noch eine Turbine zur Stromerzeugung an der Schleuse anbringen, könne man dies vielleicht sogar der Politik und den Stromkonzernen schmackhaft machen.