Der Wissenschaftliche Beirat von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellt eine gestiegene Ungleichheit bei den Einkommen in Deutschland fest. Foto: dpa

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums stellt fest, dass die Spitzenverdiener im Vergleich zu den Durchschnittseinkommen zugelegt haben. Gleichzeitig schafft es Deutschland, das Gefälle mit dem Steuersystem zu reduzieren.

Berlin - Die Ungleichheit der Arbeitseinkommen hat in Deutschland seit der Wiedervereinigung zugenommen. Das ist der Tenor einer neuen Studie, die der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums der Regierung übergeben hat. Deutschland liegt bei der Ungleichverteilung im internationalen Vergleich zwar im Mittelfeld. Noch größer ist die Kluft beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Das deutsche Steuer- und Sozialsystem trage nach Meinung des Beirats dazu bei, das Einkommensgefälle nicht größer werden zu lassen. Dennoch sehen die Ökonomen Handlungsbedarf. Entscheidend ist aus ihrer Sicht, die Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Sie empfehlen auch eine stärkere Besteuerung von Vermögen. Die Wirtschaftswissenschaftler raten zwar von der Wiedereinführung der Vermögensteuer ab. Die Erhebung der Steuer sei zu aufwendig. Sinnvoller sei eine stärkere Besteuerung von Erbschaften. Insbesondere betriebliche Vermögen sollten stärker belastet werden.

Deutschland liegt im Mittelfeld

Der Studie zufolge hat die Ungleichheit beim Vergleich der Haushaltseinkommen seit den neunziger Jahren zugenommen. Das machen sie am sogenannten Gini-Koeffizienten fest, der ein Gradmesser für die Unterschiede ist. Liegt diese Messzahl nahe bei null, bedeutet das eine geringe Ungleichheit. Je näher sie an eins liegt, umso größer das Gefälle. Gemessen am Haushaltseinkommen ist diese Kennziffer in Deutschland von 1990 bis 2013 von 0,33 auf 0,40 gestiegen – das bedeutet, dass die Ungleichverteilung zugenommen hat. Die Forscher betonten allerdings, beim Vergleich der Stundenlöhne ergebe sich ein geringerer Anstieg. Im internationalen Vergleich liege Deutschland bei der Ungleichverteilung somit im Mittelfeld. Südkorea, Island und die Schweiz zählen zu den Ländern mit vergleichsweise geringen Einkommensunterschieden. Deutschland liegt auf Platz 14. Die größte Kluft besteht in den USA, Griechenland, Portugal und Irland.

Die Wissenschaftler setzen sich auch mit den Einkommen der Topverdiener auseinander. Die Politik diskutiert gegenwärtig über gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung hoher Managergehälter. Der Beirat stellt fest, dass die Einkommen der obersten zehn Prozent seit den achtziger Jahren im Vergleich zum Durchschnittseinkommen spürbar gestiegen sind. Noch deutlicher wird dies, wenn der Blick auf die absoluten Spitzenverdiener gelegt wird. Die Spitzeneinkommen der obersten ein Prozent sind in den vergangenen Jahrzehnten zwar nicht stetig gestiegen. Bis Ende der achtziger Jahre gab es hier Rückgänge. Die USA und Großbritannien verzeichneten in den vergangenen 30 Jahren jedoch einen starken Anstieg. Das Plus der Topverdiener in Deutschland und Frankreich weist eine geringere Dynamik aus. In Deutschland nehmen die höchsten Einkommen seit 2000 aber merklich zu. Im Gegenzug dazu sind die Einkommen der untersten zehn Prozent im Vergleich zum Durchschnittsverdienst zurückgefallen.

Höhere Erbschaftsteuer gefordert

Der Regierung empfiehlt der Beirat, die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik stärker aufeinander abzustimmen. Häufig komme es gerade bei benachteiligten Gruppen zu einem Verschiebebahnhof. Die Kinder von weniger vermögenden Eltern sollten bei der schulischen Ausbildung stärker gefördert werden. In der Steuerpolitik schlagen die Wissenschaftler eine höhere Erbschaftsteuer vor. Die betrieblichen Vermögen würden im bestehenden Erbschaftsteuerrecht zu stark geschont. Die bestehende Privilegierung von Unternehmensvermögen verhindere, dass eine nennenswerte Besteuerung stattfinde, meinen die Ökonomen. Die Besteuerung könnte die Vermögensunterschiede verringern.