Jetzt ist der Machtkampf offiziell: Jörg Meuthen (links) will nach der Bundestagswahl eine Kampfkandidatur gegen Frauke Petry um den AfD-Bundesvorsitz. Foto: dpa

Die AfD habe sich als politische Kraft etabliert, so das Ergebnis einer Studie. Erklärt wird aber auch, warum es für die Partei schwer wird, langfristig zu überleben.

Stuttgart - Die AfD steht am Scheideweg. Entweder entscheidet sie sich dafür, eine ganz normale Partei zu werden, politisch verortet rechts der CDU. Damit würde sie allerdings ihre Attraktivität für „Protestwähler“ verlieren und könnte auf diese Weise in die Bedeutungslosigkeit versinken. Oder sie geht den Weg der Radikalisierung, was ihr das Schicksal der NPD oder der Republikaner bescheren könnte. Beide Wege könnten das Ende der AfD bedeuten. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Göttingen im Auftrag der Otto Brenner Stiftung. Die Wissenschaftler haben die Partei über mehrere Jahre beobachtet und ihre Entwicklung vor allem in den Landesparlamenten von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt dokumentiert. In der Untersuchung wird deutlich, wie schwierig es für die Alternative für Deutschland sein wird, sich auf Dauer im deutschen Parteiensystem zu etablieren.

Die AfD profitiert von Krisen

Der Partei sei es seit ihrer Gründung im Jahr 2013 gelungen, „in politischen Krisensituationen unterrepräsentierte Konflikte effektiv aufzugreifen und ein programmatisches Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln“, heißt es in der Studie. Sowohl in der Euro- wie auch in der Flüchtlingskrise habe sich die AfD zu einer Alternative zum politischen Establishment inszeniert.

Diese Zeiten sind allerdings vorbei. Der Höhepunkt der Flüchtlingskrise ist vorüber, zudem haben die etablierten Parteien auf die neue Konkurrenz reagiert. Die CDU etwa übernimmt mit der Debatte zum Burka-Verbot, der doppelten Staatsbürgerschaft oder der Verschärfung der asylpolitischen Forderungen immer wieder Themen und Positionen der AfD. Deren Führungspersonal wird natürlich nicht müde, genau darauf hinzuweisen, muss aber zunehmend frustriert erkennen, dass der Partei auf diese Weise das Wasser abgegraben wird. Kurz vor der Bundestagswahl 2017 fehle der AfD ein „mobilisierendes Leitthema sowie ein klares Alleinstellungsmerkmal“, schreiben die Göttinger Forscher.

Ständiger Streit in der Partei

Auch der ständige innerparteiliche Streit habe sich negativ auf die Wahrnehmung der Partei ausgewirkt, so ein wenig überraschendes Fazit der Studie. Immer wieder würden Grundsatzkonflikte offen und mit großer Brutalität ausgetragen. Diese „destruktive Dynamik“ sei nur schwer zu stoppen, da zur Parteikultur der AfD „ein tiefes Misstrauen gegenüber jedweden Autoritäten, Eliten und innerparteilicher Repräsentation“ gehöre. Zwar sei mit Alice Weidel und Alexander Gauland ein neues Duo an die Spitze gewählt worden, doch noch immer sei nicht geklärt, wer wirklich das Sagen hat. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser schwelende innerparteiliche Streit um die Führung nach der Bundestagswahl erneut mit voller Härte ausbrechen werde. Erstes Anzeichen dafür ist die Ankündigung von Jörg Meuthen, Fraktionschef der AfD im Stuttgarter Landtag, nach der Bundestagswahl eine Kampfkandidatur gegen seine Bundes-Cochefin Frauke Petry anzustreben.

Die AfD driftet nach rechts

Im Fluss ist auch noch das programmatische Profil der Alternative für Deutschland. Das driftet nach Ansicht der Wissenschaftler immer weiter nach rechts und sei geprägt von national-konservativen Vorstellungen. Hinzu komme eine „antiliberale Gesellschafts- sowie völkisch-reaktionäre Familien- und Reproduktionspolitik“. Zudem bewege sich die Partei in Richtung eines „völkisch-autoritärenNationalismus“ mit geschichtsrevisionistischen Zügen, der mittlerweile gerade in westdeutschen Bundesländern „zusehends enthemmt propagiert“ werde.

Auch von den wirtschaftsliberalen Forderungen nach einem schlanken Staat der Anfangstage habe sich die AfD längst verabschieden, registrieren die Göttinger Wissenschaftler. Inzwischen werden sogar ausdrücklich Eingriffe des Staates gefordert, die allerdings im nationalen Interesse sein sollten.

Abstiegsängste der Menschen

Trotz aller Schwierigkeiten gehen die Verfasser der Studie davon aus, dass die AfD nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden wird, da sie sie „weiterhin von grundlegenden sozialen Krisenentwicklungen profitieren“ werde. Grund seien die Abstiegsängste der Menschen, die bis weit in die Mittelschicht hineinreichen würden. Hinzu komme ein allgemein starkes Unbehagen angesichts der Veränderungen der Umwelt etwa durch Liberalisierungen wie bei der „Ehe für alle“, Migration oder auch der schnellen Digitalisierung der Arbeits- und Alltagswelt.

Die AfD ist noch kein Koalitionspartner

Die Forscher konstatieren, dass die AfD auf ihrem Weg zu einer etablieren Partei bereits weit fortgeschritten ist. „In den Ländern ist sie sukzessiv flächendeckend mit Fraktionen von mitunter beachtlicher Größe vertreten.“ In 13 von 16 Länderparlamenten sitzen Abgeordnete der Partei. Doch auch wenn der AfD der Einzug in den Bundestag gelingen sollte, heißt es in der Studie, bleibe es weiter offen, ob die Partei wirklich ihren Platz in der deutschen Parteienlandschaft finden wird. Das sei ein mühsamer und langwieriger Prozess. Die Göttinger Wissenschaftler liefern auch eine Definition, ab wann eine Partei als etabliert gelten kann: Dann nämlich, wenn sie von den anderen Parteien „potenziell in Koalitionsverhandlungen mit einbezogen wird“. Von einem solchen Schritt seien die etablierten Parteien aber noch viele Jahre entfernt.