Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) Foto: dpa

Wenige Wochen vor der Wahl lobt ein unabhängiger Wissenschaftler Innenminister Gall und dessen Polizeireform. Baden-Württembergs Polizei stehe damit bundesweit vorbildlich da. Die Opposition sieht naturgemäß keinen Grund für solche Begeisterung.

Stuttgart - Der Staatsrechtler Joachim Jens Hesse hat der umstrittenen Polizeireform von Innenminister Reinhold Gall (SPD) ein glänzendes Zeugnis ausgestellt. Sei sei fachlich geboten, klug und überzeugend sowie polizeiintern beispielhaft umgesetzt, betonte der Wissenschaftler vom Internationalen Institut für Staats- und Europawissenschaften in Berlin am Montag in Stuttgart. Die Polizei in Baden-Württemberg könne für sich eine bundesweite Führungsrolle beanspruchen. Von der Opposition kam Einspruch.

Das Institut war vom Ministerium mit der Untersuchung beauftragt worden. Laut Hesse ist die Reform durch die ehemals kleinteilige Polizeistruktur im Südwesten, komplexe Deliktsformen, zunehmende Digitalisierung und Verflechtung regionaler, nationaler und internationaler Sicherheitsstrategien notwendig geworden.

Geeignete Bewerber generell schwer zu finden

Die Reform war zum Jahresbeginn 2014 in Kraft getreten. 4 Landespolizeidirektionen mit 37 Polizeidirektionen wurden zu 12 Großpräsidien verschmolzen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft ging kürzlich mit der Reform hart ins Gericht, vor allem kritisierte sie Probleme bei der Gewinnung von Nachwuchs. Hier sieht Hesse ebenfalls Schwierigkeiten; das neue Präsidium „Technik, Logistik und Service“ in Stuttgart tue sich schwer, Spezialisten zu finden. Generell sei es schwer, geeignete Bewerber für den Polizeidienst zu finden.

Auch die Zahl von zwölf Präsidien - von Kritikern teils für zu klein, teils für zu groß gehalten - sei nicht aus der Luft gegriffen, sondern „die plausibelste unter den Zahlen“, sagte Hesse. Nach Gesprächen mit Christdemokraten, darunter auch CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, erwarte er auch unter einer möglichen CDU-geführten Regierung keine großen Veränderungen der Reform. „Wir hatten in weiten Punkten so etwas wie einen Konsens.“ Dass Schwachpunkte hervorgehobenen würden, sei eine Selbstverständlichkeit. Wolf hatte angekündigt, in den Regionen Nordschwarzwald mit Pforzheim und Calw, Mannheim und Heidelberg sowie Oberschwaben mit eigenen Präsidien nachzusteuern.

„Häuptling-Indianer-Problem“

Hesse sieht zudem ein „Häuptling-Indianer-Problem“. Es sei dadurch entstanden, dass die Polizeidirektionen abgeschafft worden seien. Die Beamten an der Basis drohten, sich im Vergleich zur Führungsebene als „Polizisten zweiter Klasse“ zu fühlen. Das Zwei-Ebenen-Modell sei aber eine „pfiffige Idee“, da das freigesetzte Personal die 146 Reviere mit je zwei zusätzlichen Kollegen stärke.

Der CDU-Bezirkschef Württemberg-Hohenzollern, Thomas Bareiß, sprach von einer katastrophalen Stimmung der Beamten. Die Auflösung der Direktionen habe die Arbeit zentralisiert, bewährte Strukturen zerstört. „Die Polizei hat sich aus den ländlichen Gebieten verabschiedet.“