In welche Richtung geht es mit der Fahrradstadt Stuttgart: Wie hier am Charlottenplatz werden Radwege immer wieder verbessert und ausgebaut, doch noch bleibt viel zu tun. Foto: Max Kovalenko

Radler fühlen sich in der Autostadt Stuttgart alles andere als wohl. Das ergab der ADFC-Fahrradklima-Test. Die Note „Vier minus“ reicht nur für Platz 30 von 38 deutschen Großstädten mit über 200.000 Einwohnern. Den größten Fahrspaß in der Region empfinden Radler demnach in Filderstadt.

Stuttgart - Und der Gewinner ist: Münster! Auch beim jüngsten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) erhielt die Unistadt mit einer Note von 2,61 den Spitzenplatz bei den Großstädten. Dahinter folgen mit Freiburg (3,10) und Karlsruhe (3,18) immerhin zwei Städte aus dem Land. Von derartigen Bewertungen ist Stuttgart Lichtjahre entfernt. Bei der Umfrage brachte es die Schwabenmetropole bei Sicherheit und Stellenwert des Radverkehrs, Infrastruktur und Komfort des Radwegenetzes nur auf die Gesamtnote 4,23. Knapp konnte sich Stuttgart vor Köln, Augsburg und Düsseldorf behaupten, Schlusslicht mit Note 4,55 ist Wuppertal.

Insgesamt beteiligten sich im vergangenen Herbst 80.000 Radfahrer am ADFC-Test. 504 Stuttgarter Radler machten mit. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht. Durchweg verteilten die Radler schlechtere Noten als bei der vergangenen Umfrage vor sieben Jahren. „Wir nehmen an, dass sich in den letzten Jahren ein stärkeres Bewusstsein für die Probleme von Radfahrern gebildet hat“, sagt der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg. Das müsse nicht heißen, dass sich die tatsächliche Situation vor Ort verschlechtert habe. Stuttgart hatte im Jahr 2005 unter 28 Großstädten Rang 25 belegt.

Diesmal stellten die Radler der Landeshauptstadt in fast allen Kategorien schlechtere Noten als im Bundesdurchschnitt aus. Deutlich negativ wird das allgemeine Fahrrad- und Verkehrsklima in der Stadt empfunden. Die Radler fühlen sich nur ausreichend bis mangelhaft (Note 4,5) als Verkehrsteilnehmer akzeptiert. Bundesweit liegt der Akzeptanzwert bei 3,83. Die Lust am Radfahren dämpfen in Stuttgart auch die Radwegeführung durch Baustellen sowie Falschparker auf Radwegen. Für die Befragten sind die Radwege zudem zu schmal. Deutlich punkten kann Stuttgart nur einmal: Bei Leihrädern sehen die Radler dank des flächendeckenden Call-a-Bike-Systems Stuttgart auf einem Spitzenplatz.

„In Stuttgart hat sich einiges verbessert, nur scheint das nicht so anzukommen“

Im Stuttgarter Rathaus, wo OB Fritz Kuhn (Grüne) beim Amtsantritt betonte, den Radverkehrsanteil in der Stadt künftig auf 20 Prozent steigern zu wollen, löst das Umfrageergebnis Ratlosigkeit aus. „In Stuttgart hat sich einiges verbessert, nur scheint das nicht so anzukommen“, sagt Claus Köhnlein, der städtische Fahrradbeauftragte. So sei das Radwegenetz erheblich erweitert worden. „Momentan bauen wir die Tallängsroute von Vaihingen bis Fellbach aus“, sagt er. Zwischen Kaltental und Heslach werde demnächst ein befestigter Radweg angelegt. Auf der anderen Talseite sei ein neuer Radweg durch Bad Cannstatt ebenfalls kurz vor dem Baustart. Neue Radwege entsprächen in der Breite der Norm. „Auch ist der jährliche Radetat zuletzt auf 2,4 Millionen Euro gestiegen“, betont Köhnlein. Im Jahr 2005, zu Zeiten der bürgerlichen Mehrheit im Gemeinderat, förderte die Stadt den Radverkehr noch mit einem Euro pro Einwohner, also knapp 600.000 Euro.

„Die Öffentlichkeit bekommt es nicht mit, wenn ein neues Stück Radweg fertig ist“, bemängelt Frank Zühlke vom ADFC Stuttgart. Er meint, dass die Stadt bislang viel zu passiv beim Thema agiere. Notwendig sei nicht nur der punktuelle Ausbau der Infrastruktur, sondern auch offensives Werben. Ein jährliches Radler-Sattelfest auf dem Schlossplatz genüge nicht, um einen grundlegenden Mobilitätswandel anzustoßen. „Radfahren genießt hier noch immer nicht den Stellenwert, den es verdient“, verweist Zühlke auf Städte wie München und Frankfurt, die sich die Förderung des Radverkehrs klar auf die Fahnen geschrieben haben. So fährt die Isar-Metropole eine „Radlhauptstadt“-Kampagne, die Hessen setzen mit einem Radfahrbüro neue Standards.

Jenseits der Stuttgarter Stadtgrenzen fühlen sich Radler kaum besser. Unter bundesweit 252 bewerteten Klein- und Mittelstädten landete Esslingen mit der Note 4,16 am weitesten hinten (Platz 221). Für hiesige Radler ist die Welt am ehesten auf den Fildern in Ordnung. Die Bürger Filderstadts beurteilten ihre Rad-Kommune mit der Gesamtnote 2,59, was sie auf Platz vier bei den Städten unter 100.000 Einwohnern katapultierte. Der Werbung und Förderung des Radverkehrs erteilten sie besonders gute Noten. Als Spaßbremse nannten auch sie parkende Autos auf Radwegen. „Wir haben in den letzten Jahren einen Riesensprung nach vorne gemacht“, freut sich Filderstadts Radbeauftragter Jürgen Lenz. Bei der letzten Fahrradklima-Umfrage im Jahr 2005 hatte Filderstadt noch Rang 37 belegt.