Etwa 150 000 Euro hat der Pavillon gekostet, finanziert durch Spenden. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Ein Nachbarschaftsprojekt in Stuttgart ist ein Modellbeispiel für gelebte Integration: Architekturstudentinnen erstellen eine Begegnungsstätte neben einer Flüchtlingsunterkunft in der Breitscheidstraße.

Stuttgart - Noch ist der Innenausbau nicht fertig, die Leitungen warten auf die endgültige Installation, doch der graugrüne Lehmputz schafft bereits Behaglichkeit, und das Holz des Fußbodens und der Deckenbalken verströmen einen würzigen Duft: Nicht mehr lange, dann kann der Pavillon neben der Flüchtlingsunterkunft am Uni-Campus eröffnet werden und lädt zur Begegnung ein. Alle sind hier willkommen: Lehrende und Studierende der Universität, die Bürger aus dem Quartier und darüber hinaus – und die Flüchtlinge sowieso. Jene aus dem Nachbarhaus genauso wie Freunde, Besucher und Interessierte aus den Unterkünften in anderen Stadtteilen. „Ein Geschenk an die Stadt, Gold wert und einmalig“, rühmt Stefan Spatz, der Leiter des Sozialamtes der Stadt, begeistert diesen Bau, als er ihn zusammen mit Wolfram Ressel, dem Rektor der Uni Stuttgart, besichtigt.

Die Alma Mater ist Mutter des Projekts

Denn die Alma Mater ist nicht nur die Nachbarin, sondern gewissermaßen die Mutter des Projektes. Präziser gesagt, zwei ihrer akademischen Töchter: Meike Hammer und Tine Teiml. Sie studierten noch Architektur und Städtebau bei Professor Sybil Kohl, als sie, inspiriert und auch persönlich tangiert von den beiden gerade entstehenden Systembauten für Flüchtlinge, die Idee für das Thema ihrer Masterarbeit hatten: Mit einer Begegnungsstätte einen Beitrag zur Integration zu leisten. „Ein mutiger Schritt“, lobt Sybil Kohl. Seit Oktober 2015 seien sie in diese Aufgabe eingespannt gewesen, erzählen beide, denn es blieb natürlich nicht allein bei der Idee. Nachdem das Baurechtsamt im letzten Sommer das kleine Gebäude mit zwei Räumen und einer Teeküche auf 73 Quadratmetern genehmigt hatte, stellten sie ihre handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis. Unterstützung erhielten sie von einer Baubrigade mit 15 Freiwilligen, die keineswegs alle aus der gleichen Fakultät kamen. Beim Mauern war auch ein Philosoph dabei, erzählt Meike Hammer. Tatkräftige Unterstützung kam auch vom Freundeskreis Mitte, der sich gebildet hatte, nachdem im August 2016 die Flüchtlinge eingezogen waren.

Profis haben die Bodenplatte gelegt

Zum Glück, so Tine Teiml, hätten die Profis vom benachbarten Systembau auch gleich die Bodenplatte gelegt. Aber den Rest, die Ziegel zu Mauern aufzurichten, das Dach zu decken, Balken und Boden zu verlegen und schließlich die Wände zu verputzen, war die Sache der freiwilligen Helfer. Etwa  150 000 Euro habe der Pavillon gekostet, weitgehend finanziert durch Sach- und Geldspenden, darunter auch 3000 Euro von der Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten. „Aber es fehlen noch 5000 Euro“, seufzt Meike Hammer.

Mittlerweile haben die beiden trotz dieser Doppelbelastung ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. „Sie haben großes zivilgesellschaftliches Engagement bewiesen und mit der an der Universität erlernten Expertise und eigener Tatkraft diesen Begegnungsraum geschaffen“, rühmt Wolfram Ressel. Der Rektor hebt hervor, dass die Uni mit Projekten wie dem Sprachpatenprogramm, dem Kurs Interkulturelles und soziales Tandemlernen oder dem Freundeskreis Flüchtlinge die Integration unterstütze.

Immer wieder steckt neugierig ein Kind den Kopf rein: Ist das Haus endlich fertig? „Sie können es kaum erwarten“, wissen Tine Teiml und Meike Hammer. „Die große Schar von Kindern und Jugendlichen, nämlich 66, ist das Besondere an diesen beiden Unterkünften“, sagt Stefan Spatz. Insgesamt leben hier 135 Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, Somalia und Eritrea, davon 118 im Familienverbund und 17 alleinstehend. „Das Zusammenleben funktioniert reibungslos und ohne Probleme“, versichert Daniel Rau, der Sozialbetreuer der zuständigen Evangelischen Gesellschaft (Eva).

Hausaufgabenhilfe, Yoga-Kurse oder Feste sind nur ein paar Stichworte für die künftige Nutzung des Begegnungsraums. Stefan Spatz macht sich keine Minute drüber Gedanken, dass er ungenützt und verwaist bleiben könnte: „Wir werden eher mit Überbuchung als mit Desinteresse zu tun haben.“ Vielleicht müsse sogar eine Art Belegungsplan erstellt werden.