Was wäre wenn? Die Feuerwehr muss üben. Foto: Rebecca Beiter

Wenn der Piepser geht, weiß der Professor Bescheid. Die ehrenamtlichen Studenten sind lebenswichtig für die Freiwillige Feuerwehr. Wie bereiten sie sich auf den Ernstfall vor?

Birkach - Ein Scheinwerfer durchbricht die Dunkelheit, hastig rennen Menschen mit einer Leiter über den Platz. „Los, los, los!“, ruft eine schwarz-gelb vermummte Gestalt vom Balkon herunter, bevor sie im Dunkeln des Hauses verschwindet. Ihre Anweisung klingt verzerrt durch die Atemmaske.

Der Platz im Industriegebiet Tränke ist Schauplatz einer Szenerie, wie sie jede zweite Woche rund um Birkach zu sehen ist: Hier übt die Feuerwehr.

Ein junger Verein

Die Menschen, die sich an diesem Donnerstagabend versammelt haben, bereiten sich auf einen Ernstfall vor. Sie gehören zur Freiwilligen Feuerwehr Birkach. Unter den Atemmasken verbergen sich hauptsächlich junge Männer; viele von ihnen sind Studenten. Jeder fünfte Feuerwehrmann aus Birkach studiert. Ohne sie, ohne die ehrenamtlichen Studenten, wäre die Birkacher Feuerwehr weit weniger schnell und schlagkräftig.

Birkacher Feuerwache, 19.20 Uhr. Weißblaues Licht aus den Leuchtstoffröhren erhellt den Trubel in der Halle, in der die Einsatzfahrzeuge abgestellt sind. Wie jeden Donnerstag treffen sich die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Birkach an der Törlesäckerstraße 15. Hier kommen nicht nur Alteingesessene aus dem Bezirk zusammen. Von den mehr als 50 Ehrenamtlichen sind 21 anwesend; rund die Hälfte studiert. Sie sind in ihren Zwanzigern; viele kommen nicht von hier.

Und sie sind fast alle männlich, nur eine junge Frau aus der Jugendfeuerwehr übt mit. In der Halle überschlägt sich der Lärm von Gelächter und lauten Gesprächen. Der Semesterbeginn, neue Stundenpläne und die Wohnungsnot der Studenten bestimmen die Themen. An der Wand lehnen Fahrräder; die meisten Studenten kommen mit ihrem Drahtesel zur wöchentlichen Versammlung.

Routine für den Ernstfall

„Ich bin gerne dabei, es ist einfach eine Supertruppe“, lobt Daniel Schülein. Er ist 26 Jahre alt, studiert Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim. Die technische Komponente, der Zusammenhalt und ein „bisschen Action“ sind die Gründe, warum er bei der Feuerwehr mitmache. „Klar ist es riskanter als andere Ehrenämter, aber daran denkt man bei Einsätzen nicht“, sagt er. Deswegen übt er regelmäßig die verschiedenen Notfälle. Theatralisch fügt er hinzu, Routine sei seine Lebensversicherung, dann grinst er. „Nein, meist werden wir zu Fehlalarmen von Rauchmeldern gerufen“, relativiert er seine Aussage.

Trotzdem muss bei einem echten Alarm jeder Handgriff sitzen. „Nur wenn jeder seine Aufgabe kennt und wie ein Zahnrad ist, erst dann funktioniert die Maschinerie der Feuerwehr effektiv“, sagt Dominik Bender, der zweite stellvertretende Kommandant. Deswegen übt die Mannschaft heute den Einsatz bei einem Brand. Kaum beenden die Kommandanten die Ansprache an die Gruppe, schlägt die Atmosphäre um. Die Gesprächszeit ist vorbei; jetzt wird nur noch das Notwendigste geredet; jetzt zählt Schnelligkeit. Die Jungs rennen zum Umkleideverschlag. Dass jeder im Raum ihre Unterhosen sehen kann, ist vollkommen egal. Hose und Jacke sind schon angezogen, zack, zack, die Feuerwehrmänner rennen zu den Einsatzwagen.

Die Vorlesung ist zweitrangig

Bei einem echten Einsatz alarmiert ein kleines Gerät die Männer, der sogenannte Piepser, den jeder Brandbekämpfer ständig bei sich trägt. „Die Professoren wissen Bescheid, wenn der Piepser angeht, dann stehen wir auf und rennen los“, erklärt ein Student. Da viele von ihnen kein Auto haben, parken sie ein Fahrrad an der Universität Hohenheim. In maximal acht Minuten sind sie bei einem Alarm an der Wache in Birkach, die meisten schaffen die Strecke in kürzerer Zeit.

Die Birkacher Feuerwehr rückt im Schnitt ein- bis zweimal pro Woche aus. Deswegen seien die Studenten so essenziell für die Wache, erklärt Dominik Bender: „Während andere arbeiten und weiter weg sind, können die Studenten tagsüber sofort zum Einsatz kommen.“ Er ist froh über die junge Verstärkung aus Hohenheim. Ein Großteil habe sich nach den Worten von Bender bereits in ihren Heimatorten in der Jugendfeuerwehr engagiert: „Für uns ist das gut; so lernen wir die Methoden anderer Feuerwehren kennen.“ Bender sieht auch einen Vorteil für die Studenten. Da die Birkacher Feuerwehr zum Beispiel bei Einsätzen auf dem Flughafen hilft, lernen sie ein breites Einsatzspektrum kennen, das sie wieder in ihre Heimatfeuerwehren einbringen könnten.

Rotes Licht empfängt die Männer im Inneren des Einsatzwagens. So können Sie sich vorbereiten und später in der Dunkelheit trotzdem gut sehen. Wer welche Aufgabe übernimmt, bestimmt die Sitzordnung. Die beiden an den Türen bilden den Angriffstrupp. Sie gehen als Erste in das Gebäude, deswegen legen sie Atemmasken an. „Anschnallen“, raunt einer von ihnen mit Darth-Vader-Stimme durch seine Maske, gefolgt von „ich bin dein Vater“. Jetzt können sie wieder scherzen, solange die Fahrt dauert. Matthias und Jan studieren Agrarwissenschaften in Hohenheim, der Plieninger Benjamin studiert an der Uni Stuttgart. Ihre Einsätze können sie nicht mehr zählen. „Mir ist aber besonders ein Einsatz auf dem Stuttgarter Flughafen in Erinnerung; da musste ein Flugzeug notlanden, und wir haben aufgepasst“, berichtet einer.

Simulation: Brand

20.15 Uhr – auf dem Platz der Degerlocher Berufsfeuerwehr öffnen sich die Türen. Laut Übungsplan wird ein Brand im Keller simuliert, ein Mann sei noch im Hobbykeller. Eine kurze Lagebesprechung, schon laufen die Zahnräder der Maschinerie Feuerwehr an. Schläuche rollen, füllen sich mit Wasser. Funksprüche überlagern das Hallen hastiger Schritte im Treppenhaus; nur die Stirnlampen an den Helmen geben Licht. Ein Kollege spielt den Bewusstlosen im Keller; zu viert tragen sie ihn die Stufen hoch. Und schon ist der Spuk vorbei, alle versammeln sich vor dem Gebäude zur Nachbesprechung. „Das muss schneller gehen“, sagt ein Gruppenführer.

Geselligkeit zum Abschluss

20.35 Uhr – nächste Übung: Von einem Balkon kommt Rauch. Die Feuerwehrmänner legen die Leiter an, „Rauf, schneller!“, kommandiert jemand; Höhenangst ist fehl am Platz. Diesmal dürfen sie tatsächlich den Schlauch öffnen und Wasser spritzen, „wohooo“ ruft einer unter seiner Atemmaske hervor. Die Ernsthaftigkeit lässt allmählich nach; der Hunger meldet sich bei vielen. Mit einem „das reicht für heute“ beenden die Älteren den Abend. Lichter schimmern in den Pfützen auf dem Platz; jeder räumt noch Schläuche und Atemmasken weg. „Jetztertle, auf geht’s zum Essen“, sagt der Student Daniel Schülein erfreut, während er seinen Helm öffnet.

Sein Engagement bei der Birkacher Feuerwehr frisst viel Freizeit; er ist zusätzlich Jugendleiter. Noch muss er keine Vorlesungen vorbereiten oder Hausarbeiten schreiben. „Aber irgendwie geht Studium und Feuerwehr nebeneinander“, sagt Daniel Schülein.

Zurück in der Birkacher Wache ist das gemeinsame Essen in vollem Gange. Chili con Carne köchelt in drei Töpfen vor sich hin, sie leeren sich rasch. Das sei ein weiterer Grund, warum er die Studenten so schätze, sagt Dominik Bender:„Die Jungen bringen Frohsinn und Kameradschaft mit.“ Nach und nach verschwinden die Fahrräder von der Wache; auf die Studenten wartet morgen der Unialltag.