Es sei die Sache der Dozenten, ob sie verlangen, dass die Studenten ihre Vorlesungen besuchen, argumentiert die Mannheimer Universität vor Gericht. Denn diese müssten auch beurteilen, ob die Studenten ihr Wissen anwenden können. Foto: Stefanie Eichler

Dürfen Dozenten der Mannheimer Uni Studenten verpflichten, Vorlesungen besuchen? Darüber muss der Verwaltungsgerichtshof entscheiden. Ein Student argumentiert, er könne sich Wissen auch anders aneignen. Den Richtern erscheint das nicht unplausibel.

Mannheim - Die Klagen sind schon relativ alt, doch nach wie vor aktuell: Seit der sogenannten Bologna-Reform im Jahr 2005 wurde das Studium an Universitäten in vielen Fächern immer stärker verschult. Mit der Neuordnung von Studiengängen wurde immer öfter per Prüfungsordnung eine Anwesenheitspflicht auch in solchen Lehrveranstaltungen vorgeschrieben, deren Besuch aus Sicht der Studenten nicht zwingend nötig wäre, weil sie sich das dort gebotene Wissen auch selbstständig beschaffen könnten.

Vor dem Mannheimer Verwaltungsgerichtshof hat jetzt erstmals ein Student des Mannheimer Bachelor-Studiengangs Politikwissenschaft mit Unterstützung der Studierendenvertretung Asta eine Normenkontrollklage gegen diese Regelung in seinem Fachbereich erhoben. Dort sieht die Prüfungsordnung vor, dass als Studienleistung auch die Präsenzpflicht und die ausreichende Teilnahme an Lehrveranstaltungen gelten. Die Entscheidung darüber treffen die jeweiligen Dozenten.

Wessen Recht wiegt schwerer?

Dies verstoße gegen höherrangiges Recht, die Regelung sei daher ungültig, macht der Student geltend. Die Freiheit der Studenten, selbst zu entscheiden, an welcher Veranstaltung sie teilnehmen und an welcher nicht, sei von der grundgesetzlich garantierten Berufs- und Ausbildungsfreiheit sowie der Wissenschaftsfreiheit geschützt.

„Es geht meinem Mandanten nicht darum, die Universität oder einzelne Dozenten anzugreifen, sondern nur darum zu klären, inwieweit die Anwesenheit festgesetzt werden darf“, versicherte Sven Mohr, der Anwalt des Klägers, am Dienstag bei der mündlichen Verhandlung. Es gebe Lehrveranstaltungen, „bei denen die Präsenzpflicht nicht infrage steht“, etwa bei Kursen. Anders sehe es bei Vorlesungen oder großen Seminaren aus. Hier sei die Pflicht unverhältnismäßig und auch nicht ausreichend bestimmt.

„Es geht nicht nur um das Lernen“

In der Praxis führe sie nicht selten dazu, dass Studenten trotz Krankheit in die Uni kämen oder – im Falle anderer gleichzeitiger Verpflichtungen – eine Veranstaltung um ein Semester verschieben müssten, um ihre Prüfung zu bestehen. „Ich bin seit fünf Jahren im Amt und habe noch nie erlebt, dass es in der Praxis Streit oder Konflikte gab, etwa wegen einer Krankheit oder einer Schwangerschaft“, hielt dem der Mannheimer Studiendekan Thomas Puhl entgegen. Der Studierfreiheit der Hochschüler stehe die gleichfalls grundgesetzlich geschützte Lehrfreiheit der Dozenten gegenüber. Danach hätten diese das Recht, über den Inhalt und Ablauf einer Veranstaltung zu bestimmen, erklärte er. Und: „Es geht ja nicht nur um das Lernen, sondern auch um die Anwendung des Wissens.“

Der Senat indes meldete Bedenken an, ob es dafür einer Präsenzpflicht bedürfe. „Ist es erforderlich, an einer bestimmten Veranstaltung teilzunehmen, um seine Studien- und Lernziele zu erreichen?“, fragte der Vorsitzende Andreas Roth und antwortete gleich selbst: „Manches dürfte sich auch durch Selbststudium erreichen lassen, besonders heute mit allen zur Verfügung stehenden Medien.“ Zweifel habe das Gericht auch daran, ob die Prüfungsordnung eindeutig genug sei. So gebe es dort weder eine Regelung bei einem „Fehlen aus wichtigem Grund“ noch eine Mindestgrenze zum Bestehen der Prüfung. Am 29. November, so kündigte der Vorsitzende an, werde er die Entscheidung bekannt geben.