Ab 22 Uhr werden die Lichter auf der Königstraße ausgeschaltet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Händler befinden sich nach Aussage des Handelsverbands in akuter Not. Während die Energiekosten im Schnitt um 138 Prozent gestiegen sind, ist der Konsumklima-Index auf einem Rekordtief. Geschäftsführerin Hagmann fordert daher ein Energiekostendämpfungsprogramm.

Alleine das Wort hat gute Chancen, in die Geschichte einzugehen: Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung. Kurz: die EnSikuMaV. Dahinter verbirgt sich der Erlass der Bundesregierung, „Maßnahmen zur Energieeinsparung im Gebäudebereich für einen Zeitraum von sechs Monaten vom 1. September 2022 bis zum 28. Februar 2023“ zu regeln.

Auf den Einzelhandel übertragen hat das mehrere Folgen. Etwa das Verbot, die Türen offen zu lassen. Im Wortlaut klingt das so: „In beheizten Geschäftsräumen des Einzelhandels ist das dauerhafte Offenhalten von Ladentüren und Eingangssystemen, bei deren Öffnung ein Verlust von Heizwärme auftritt, untersagt.“ Oder die Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen: „Der Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen ist von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages untersagt.“

Generell gilt für Firmenlogos: Licht aus

Darunter versteht der Gesetzgeber zum Beispiel das große B auf dem Dach des Kaufhauses Breuninger. Oder den Mercedes-Stern, der sich üblicherweise auf dem Bahnhofsturm dreht. Generell gilt für Firmenlogos: Licht aus. Doch das ist im Einzelfall nicht ohne Weiteres möglich, wie Sabine Hagmann vom Einzelhandelsverband Baden-Württemberg berichtet.

„Oft sind solche Werbemittel mit einem Stromkreis verbunden, der auch die Alarmanlage speist“, berichtet die Hauptgeschäftsführerin. Diese Werbemittel oder Tafeln würden bei kleineren Läden etwa vier Kilowatt Strom verbrauchen. Im Vergleich zu den Kosten, die ein Elektriker für die Umrüstung verlangt, sei das nichts. Sie kennt aber noch weitere Beispiele, „wo die Verhältnismäßigkeit wieder mal nicht gewahrt“ sei. Etwa dann, wenn mit der Alarmanlage im Notfall auch das gesamte Ladenlicht angeht. „In diesem Fall musste ein Händler eine teure Hallogenanlage zukaufen, die separat geschaltet werden musste“, berichtet Hagmann verärgert.

Kaufleute können rechnen

Ursprünglich, so erklärt Hagmann weiter, habe die Bundesregierung über die EnSikuMaV auch die Schaufensterbeleuchtung ausschalten wollen. „Aber als die Polizei intervenierte, weil so das Sicherheitsgefühl der Bürger stark beeinträchtigt sei, hat die Politik davon abgelassen“, so Hagmann. Am Ergebnis ändere das nichts: „Wir schalten die Schaufensterbeleuchtung in der Regel mit dem Ladenschluss ab.“

Damit will sich der Handel solidarisch in der Krise zeigen. Obwohl bekannt sei, dass bei geschlossenen Türen weniger Kunden ins Geschäft kämen und durch weniger Beleuchtung auch der Werbeeffekt auf der Straße nachlasse. Natürlich ist das nur ein Teil der Wahrheit. Der andere lautet: Wenn jemand rechnen kann, dann Kaufleute. „Daher brauchen wir in diesem Fall keine Gesetze“, sagt Hagmann. Die Energiesparmaßnahmen für den Handel seien nicht nur vernünftig, sondern notwendig. Denn nach Einschätzung von Sabine Hagmann sei die derzeitige Situation des Einzelhandels „schlimmer als die während Corona“: „Die Lage ist dramatisch, viele können die Preissteigerungen nicht wuppen.“

Energiekosten explodieren

Weil die Kosten für Energie explodieren, würden viele beim Verband anrufen und berichten, dass sie diese Kosten nicht tragen könnten. Wie eine aktuelle Umfrage des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW) zeigt, haben sich die Energiekosten bei Händlern seit Jahresbeginn um durchschnittlich 138 Prozent gesteigert. Einzelhändler, die aktuell neue Strom- oder Gasverträge abschließen wollen, fänden oft keine Anbieter mehr. Und falls doch, dann nur zu horrenden Preisen. „Während die Ausgaben in die Höhe schießen, sinken die Einnahmen weiter. Der aktuelle Konsumklima-Index zeigt ein Rekordtief in der Verbraucherstimmung, und die Tendenz geht noch weiter nach unten“, sagt Sabine Hagmann. Im Schnitt verschlechterten sich die Gewinne der Händler in der Kalenderwoche 34 dieses Jahres um 23 Prozent im Vergleich zur Kalenderwoche 34 des Jahres 2019 und um 21 Prozent im Vergleich zur Kalenderwoche 34 des vergangenen Jahres.

„Der Handel befindet sich im dauerhaften Krisenmodus“, bilanziert Hagmann, „kurzfristig muss es nun darum gehen, dass die massiv gestiegenen Energiekosten nicht zu Arbeitsplatzverlusten und Geschäftsschließungen führen. Hierzu braucht der Handel schnell staatliche Unterstützung, analog zum Energiekostendämpfungsprogramm des Bundes.“