Als nach einer Windböe ein Baum auf eine Stromleitung fällt, gehen in Waldenbuch die Lichter aus. Foto: SDMG

Während eines Stromausfalls in Waldenbuch haben weder die Kommunikation mit den Bürgern noch die Notstromaggregate im Feuerwehrhaus und Altenpflegeheim funktioniert. Der Bauamtsleiter sucht nach den Ursachen, ein Vertreter von Netze BW steht im Ausschuss Rede und Antwort.

Waldenbuch - Es war der totale Blackout. Knapp anderthalb Stunden lang war die Stadt Waldenbuch am Mittwoch, 4. April, ohne Strom. Eine Windböe hatte einen Baum entwurzelt, der auf Höhe der Schönaicher Kläranlage auf die Freileitung gestürzt war. In der Schönbuchstadt begann das Krisenmanagement. In den Geschäften fielen die Kassen aus, elektrische Schiebetüren versagten ihren Dienst, Telefone und Handys funktionierten nicht mehr und in den örtlichen Unternehmen stockten die Produktionsprozesse.

Auch Feuerwehr und Polizei konnten nur noch über Funk miteinander kommunizieren. Der Draht zu den Bürgern war teilweise gänzlich gekappt. „Bei mir ging sogar das Handy nicht mehr“, berichtete der SPD-Stadtrat Walter Keck. Den Grund dafür kennt Joachim Russ: „Funkmasten sind ebenfalls ans Stromnetz angeschlossen und können ohne Energiezufuhr keine Daten abstrahlen.“

Der Leiter des städtischen Bauamts hat nach dem Komplettausfall nun ein paar Baustellen mehr zu bearbeiten. Denn weder im Feuerwehrhaus noch im Altenpflegeheim sind an diesem Nachmittag die Notstromaggregate angesprungen. „Die Geräte hätten sich automatisch einschalten müssen. Das hat nicht funktioniert“, erklärte Russ. Die Gründe dafür kennt er noch nicht. Nach den Ursachen wolle man in den nächsten Tagen zusammen mit der Feuerwehr suchen.

Für den Bürgermeister ist der Totalausfall nicht akzeptabel

Der Waldenbucher Bürgermeister Michael Lutz hat derweil Kontakt zum Stromversorger – den Stadtwerken Tübingen – und dem Netzbetreiber – der EnBW-Tochter Netze BW – aufgenommen. „Dieser Totalausfall ist nicht akzeptabel“, stellte er fest und forderte Aufklärung und Lösungsvorschläge. „Trotz mehrmaliger Anrufe konnte bis heute keine Aussage über den eigentlichen Grund in Erfahrung gebracht werden“, wetterte der Schultes zwei Tage nach dem Vorfall in einem Schreiben an die EnBW. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Fred Oechsle, der Leiter der Systemplanung Strom bei Netze BW, war am Dienstagabend angereist, um im Technischen Ausschuss die erhellenden Details zu liefern.

„An diesem Tag kamen gleich mehrere unglückliche Umstände zusammen“, berichtete der Energie-Experte. Normalerweise gebe es für Waldenbuch zwei getrennte Zuleitungen, von denen jeweils eine in Betrieb sei. Fällt eine Stromautobahn aus, kann die Alternativ-Strecke aktiviert werden. Am 4. April aber waren beide Leitungen eingeschaltet und miteinander verknüpft. Denn die Firma Ritter Sport hatte ihr Blockheizkraftwerk für Wartungsarbeiten vom Netz genommen. Den fehlenden Strom mussten deshalb die Stadtwerke liefern.

Der Strombedarf wird künftig noch steigen

„Diese Spitzenlasten können wir nur mit einer Ringschaltung abfedern“, erklärte Fred Oechsle. Wenn in dieser Situation ein Schaden auftrete, sei das ganze System betroffen. Die Suche nach der Ursache sei sofort um 17.11 Uhr eingeleitet worden. Es dauere aber eine gewisse Zeit, bis der Fehler gefunden sei. „Wir können nicht einfach hin und her schalten, solange wir nicht sicher sind, dass keine Personen gefährdet sind“, erklärte der Strom-Manager. Deshalb habe es bis zu 80 Minuten gedauert, bis alle Waldenbucher wieder am Netz waren. Im Ratsgremium bewirkte die Erklärung nur einen kurzen Spannungsabbau. Bürgermeister Michael Lutz blieb skeptisch und hakte nach: „Wie wollen Sie künftig die Versorgungssicherheit gewährleisten?“ Er forderte: „Die Sache muss professionell aufgearbeitet werden.“ Fred Oechsle versicherte: „Wir arbeiten an einem verbesserten Lastenmanagement.“ Gemeinsam mit den Stadtwerken wolle man zudem dafür sorgen, dass der Ringschluss so wenig wie möglich zum Einsatz komme.

Den Stadträten war das nicht genug. FWV-Rat Josef Lupion bat darum, zu prüfen, ob die Firma Ritter durch eine eigene Stromleitung versorgt werden könne. Das Problem sei die Spitzenlast und man müsse davon ausgehen, dass der Strombedarf weiter steige. So sei zum Beispiel im Gewerbegebiet Bonholz ein zweiter Produktionsstandort des Schokoladenherstellers geplant. Auch SPD-Rätin Heidrun Rohse sah zusätzliche Herausforderungen. „Der Ausbau der E-Mobilität wird das Stromnetz weiter belasten“, gab sie zu bedenken.

Nur noch 15 Prozent des Stroms fließt oberirdisch

Wilfried Kannenberg, der Technische Generalbevollmächtigte der Stadtwerke Tübingen (SWT), schaltete sich in die Diskussion ein und ließ wissen: „Wir verhandeln aktuell mit der Netze BW über eine Leistungserhöhung von 9,2 Megawatt auf zwölf Megawatt.“ Diese Dinge könnten aber nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. „Der Prozess dauert Jahre, und wir arbeiten dabei mit vielen Unbekannten“, erklärte er. Da die Netze sehr langlebig seien, müsse man den Blick weit in die Zukunft richten.

Der SWT-Sprecher sieht nach den aktuellen Ereignissen zwei Schwerpunkte: eine intensivere Beschäftigung mit dem Lastenmanagement und die Beseitigung von Schwachstellen. Dafür sei es nötig, noch mehr Freileitungen durch Erdkabel zu ersetzen. Auf diesem Weg sei man schon ein gutes Stück vorangekommen. Bei der Übernahme des Konzessionsvertrags im September 2009 habe es im Mittelspannungsbereich einen Freileitungsanteil von 40 Prozent gegeben. Inzwischen fließe der Strom nur noch zu 15 Prozent oberirdisch. Um dieses Ziel zu erreichen, habe das Unternehmen etwa ein Drittel der Waldenbucher Straßen aufgegraben und pro Jahr rund 600 000 Euro investiert.