Gas und für Strom sollen für alle bezahlbar bleiben. Foto: imago images/McPhoto/Erwin Wodicka via www.imago-images.de

Der Bund subventioniert bald im großen Stil Strom und Gas. Die Branche trägt das Konzept mit, hält den Zeitplan aber für unrealistisch.

Millionen von Strom- und Gaskunden sollen bald im großen Stil finanziell entlastet werden. So haben es Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrem Treffen Mitte der Woche beschlossen. Die Energiewirtschaft begrüßt die Preisbremsen, hält die vorgesehenen Zeitpläne aber für zu knapp bemessen. Nach der Bund-Länder-Runde zeichnete sich auch ab, dass etliche Haushalte, die mit Öl oder Holzpellets heizen, bei den Hilfen leer ausgehen könnten – obwohl auch die Preise dieser Brennstoffe im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in die Höhe geschossen sind. Ein Überblick.

Wie sollen die Preis-bremsen für Strom und Gas funktionieren?

Beim Erdgas ist zweierlei geplant: In einem ersten Schritt übernimmt der Bund für Privathaushalte und Gewerbetreibende die Abschlagszahlung für Dezember. Die eigentliche Preisbremse soll für diese Kundengruppe dann spätestens ab März 2023 greifen, für Industriekunden hingegen bereits ab Januar. Bei Privathaushalten und kleinen Betrieben wird der Gaspreis für 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs auf 12 Cent je Kilowattstunde gedeckelt. Wer mit Fernwärme heizt, zahlt 9,5 Cent je Kilowattstunde innerhalb des Kontingents. Für den darüber hinausgehenden Verbrauch ist der – in der Regel stark gestiegene – Marktpreis zu zahlen. Bei Industriekunden liegt das subventionierte Kontingent bei 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs, die Kilowattstunde Gas soll hier 7 Cent netto kosten.

Die Strompreisbremse soll für alle Kundengruppen zum 1. Januar kommen. Privathaushalte und kleine Betriebe bekommen 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs für 40 Cent je Kilowattstunde, Industriekunden 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs für 13 Cent je Kilowattstunde. Die Gas- und Strompreisbremsen sollen bis April 2024 gelten. Die Gaspreisbremse will der Staat aus dem 200-Milliarden-Euro-Topf („Doppel-Wumms“) finanzieren. Für die Strompreisbremse sollen auch Extragewinne der Stromerzeuger abgeschöpft werden.

Was sagt die Energiewirtschaft dazu?

Der Branchenverband BDEW hält den Zeitplan für unrealistisch. Das gilt insbesondere für die Strompreisbremse. In der Sache seien die Pläne der Politik zwar richtig, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae am Donnerstag. Zum 1. Januar sei die Umsetzung für die Stromanbieter aber nicht zu schaffen. „Der Wille der Energiewirtschaft ist da, aber wir sprechen über ein komplexes System, in dem Millionen von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tarifgestaltungen richtig abgerechnet werden müssen.“ Standardisierte Programme müssen bei Hunderten Unternehmen komplett umprogrammiert werden, sagte Andreae. Dafür brauche es Experten, die ihrerseits begrenzte Kapazitäten hätten. „Dies gilt auch für die Gaspreisbremse.“ Um Haushalte kurzfristig zu entlasten, solle die Politik auf pragmatische Lösungen setzen. So könne der Bund im Januar noch einmal Energiegeld auszahlen. Im vergangenen September hatte es für jeden Arbeitnehmer 300 Euro gegeben.

Der BDEW hält es auch für möglich, dass der Staat analog zur Gas-Abschlagszahlung eine beim Strom übernimmt. Um Gaskunden bis zur Einführung der Preisbremse am 1. März zusätzlich zu entlasten, könne der Bund auch eine zweite Gas-Abschlagszahlung übernehmen. Eine rückwirkende Einführung der Energiepreisbremsen sei aus Sicht der Branche nicht machbar. Die Bundesregierung würde die Gaspreisbremse am liebsten rückwirkend zum 1. Februar starten lassen, die Länder sogar am liebsten zum 1. Januar.

Stehen die Energiepreisbremsen eigentlich schon im Gesetz?

Nein. Aus diesem Grund kann es auch sein, dass es noch beträchtliche Abweichungen zu den bisherigen Plänen geben wird. Den Entwurf für die Übernahme der Gas-Abschlagszahlung im Dezember hatte das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht, jetzt ist das Parlament am Zug. Die Gas- und die Strompreisbremse sollen am 18. November ins Kabinett. Der Bundestag soll Anfang und der Bundesrat Mitte Dezember zustimmen. Der Zeitdruck ist also enorm.

Was ist mit Haushalten, die mit Öl oder Holzpellets heizen?

Diese Verbrauchergruppe hat die Bundesregierung bislang nur bedingt auf dem Schirm. Anders als beim Gas gibt es beim Öl und bei Pellets keine Knappheiten. Gleichwohl sind auch hier die Preise deutlich gestiegen. Es könnte Hilfen geben, Art und Umfang sind aber noch unklar. Vermutlich wird dieser Punkt im Gesetzgebungsverfahren für die Gas- und Strompreisbremse eine wichtige Rolle spielen. Das Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde von Mittwoch bleibt zum Thema Öl und Pellets vage: „Mieterinnen und Mieter, die durch Aufwendungen für die Bevorratung dieser Heizmittel stark überfordert sind, sollen entlastet werden“, heißt es darin. Auch für überforderte Eigentümer selbst genutzter Wohnimmobilien ist demnach eine „Unterstützung im Sinne einer Härtefallregelung angedacht“.

Wie reagiert die Opposition auf die Beschlüsse von Bund und Ländern?

Der CDU-Energieexperte Andreas Jung bezeichnete die Pläne als „Stückwerk“. Jung forderte unter anderem, die Gaspreisbremse rückwirkend schon zum 1. Januar in Kraft treten zu lassen und so die „Winterlücke“ zu schließen. Der Bundestagsabgeordnete forderte zudem, die Mehrwertsteuer auf alle Energieträger sofort zu senken. Der Linken-Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftspolitiker Christian Leye kritisierte, die Gaspreisbremse drohe zu spät zu kommen.