Nicht nur bei den Boller Fruchtsäften in Göppingen-Jebenhausen läuft die Obstannahme bereits auf vollen Touren. Foto: Horst Rudel

Weil die Natur in diesem Jahr früher dran ist als sonst, ertrinken die Saft- und Mosthersteller im Kreis Göppingen bereits in Äpfeln und Birnen. Nachschub ist aber nach wie vor erwünscht.

Kreis Göppingen - Selbst dem Laien erschließt sich auf einen Blick, dass es heuer an heimischem Obst nicht mangelt. Die Bäume entlang der Straßen hängen brechend voll – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Viele Äste mussten angesichts der übermäßigen Last der Schwerkraft Tribut zollen. Zudem versuchen stolze Gärtlesbesitzer, ihre bereits reiche Ernte unters Nachbarsvolk zu bringen. Es soll nicht wenige Leute geben, deren Tiefkühltruhen bereits mit Obst überfrachtet sind oder die Tag und Nacht damit beschäftigt sind, Saft, Mus oder Marmelade einzukochen.

Dem Umstand, dass die Saison deutlich früher als sonst begonnen hat, mussten auch die Saft- und Mosthersteller im Kreis Göppingen gerecht werden. Geht es an den Annahmestellen in der Regel erst Anfang September so richtig los, läuft der Betrieb bereits seit drei Wochen auf Hochtouren. Bei den wenigen Sonderterminen standen die Leute mit ihren Autos oft mehr als eine Stunde in der Lieferantenschlange. So fuhren beim offiziellen Saisonstart an diesem Montag manche Streuobstbesitzer bereits zum vierten Mal auf die große Waage.

An zweieinhalb Tagen so viel Obst wie im ganzen Jahr 2017

Karl-Heinz Auer, der Chef des gleichnamigen Fruchtsaftherstellers aus Lauterstein-Weißenstein, hatte seine Presse eigentlich gar nicht früher anwerfen wollen: „Von unseren Beschäftigten sind im August einfach noch viele im Urlaub. Da ist es mit der Obstannahme etwas schwierig. Aber wir konnten einfach nicht länger warten, weil ja sonst alles verfault wäre.“ Vielmehr sei es dringend notwendig gewesen, gleich Vollgas zu geben. „Wir haben in zweieinhalb Tagen mehr als 100 Tonnen verarbeitet. Das ist in etwa so viel wie im vergangenen Jahr insgesamt“, erklärt Auer.

Das ist zwar kein Wunder, hatte doch 2017 ein später Frost mitten in der Blütezeit für erhebliche Ernteverluste gesorgt. Allerdings gehen die Experte davon aus, dass es heuer ähnlich hohe Erträge wie im Rekordjahr 2014 oder zumindest wie im ebenfalls guten Sommer 2016 gibt. Und trotz der Trockenheit dürfte die Qualität stimmen, betont Jürgen Kaiser, der Leiter der Obstweinkellerei und Destillerie Kaiser in Salach: „Die Früchte sind zwar meist etwas kleiner, haben dank der vielen Sonne aber ein tolles Aroma.“ Auch in Salach steht der Betrieb bereits voll im Saft – und noch sind die Preise recht ordentlich, sie liegen im Stauferkreis bei durchschnittlich sieben Euro pro 100 Kilogramm: etwa doppelt so hoch wie vor zwei Jahren.

Karin Stolz: Wir können diese Mengen gut gebrauchen

Der Grund dafür ist trotz der aktuellen Obstschwemme einleuchtend: „Nach der Flaute im vergangenen Jahr sind die Tanks überall leer. Da ist natürlich jeder von uns froh, wenn sich die Kunden zum Äpfelklauben aufraffen“, sagt Karl-Heinz Auer. Karin Stolz von der Geschäftsführung der Boller Fruchtsäfte sieht das genauso: „Wir hatten einen Frühstart und werden die Spitze wohl schon Mitte September bekommen.“ Wie sich die Trockenheit und die vielen Bruchschäden auswirken, müsse man allerdings noch abwarten, fügt sie hinzu. Rund 400 Tonnen Obst seien jedoch schon verarbeitet worden, was ebenfalls der gesamten Vorjahresmenge entspreche, zieht Karin Stolz eine Zwischenbilanz. „Aber das können wir nach 2017 auch gut brauchen“, ergänzt sie zufrieden.

Auf „Erzeuger“ wie Christian Hrabar sind die Keltereien deshalb auch heuer angewiesen. Er mache das ja nicht des Geldes wegen, stellt der Sparwiesener klar, während er auslädt. „Aber man hat seinen eigenen Saft, tut etwas für die Kulturlandschaft und hat noch Spaß dabei.“ Zudem würde es ihm wehtun, zu sehen, „wie das gute Obst auf den Bäumen oder am Boden verdirbt.“

Wohin mit dem Fallobst?

Aufgrund des trockenen und heißen Sommers gibt es in diesem Jahr auch verhältnismäßig viel Fallobst, das sich weder zum Verzehr noch für die Saftherstellung oder eine sonstige Verwendung eignet. Der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Göppingen empfiehlt, das verdorbene Obst zusammen mit anderem kompostierbaren Material auf dem eigenen Komposthaufen zu verarbeiten. Durch eine optimale Schichtung – aus dünnen Obstschichten und Reisig im Wechsel – könne etwa ein hervorragender Humus für den Garten erzeugt werden, teilt die Behörde mit.

Wer indes keinen eigenen Kompost hat, kann das Fallobst auch auf den zwölf Grüngutplätzen des Landkreises abgeben. Die Anlieferer werden allerdings gebeten, das Annahmepersonal zu informieren , damit das Fallobst gleichmäßig verteilt werden kann. Auf den Sammelplätzen der Kommunen wird hingegen kein Fallobst angenommen.