Die schwäbische Hanami-Saison ist jetzt in den Streuobstwiesen im Rems-Murr-Kreis zu erleben. Die Kirschblüte hat begonnen, auch Birnen blühen. Wo man dem Blütenparadies nahe sein kann.
Blüten über Blüten – wer dieser Tage in die Kirschbäume an einem Streuobsthang zwischen Oppelsbohm und Necklingsberg schaut, erlebt ein duftendes Paradies in Weiß und zartem Rosa. Viele nennen es auch schwäbisches Hanami – in Anlehnung an die japanische Tradition, im Frühjahr mit den Kirschblütenfesten die Schönheit der blühenden Kirschbäume zu feiern. Hanami heißt so viel wie „Blüten betrachten“ auf Japanisch – eine Möglichkeit, ganz ins Hier und Jetzt in die Natur zu tauchen.
Der Rundweg zeigt die Vielfalt alter Sorten wie Schwaikheimer Rambour
Auf den Streuobstwiesen im Rems-Murr-Kreis hat die Kirschblüte vor wenigen Tagen eingesetzt, auch die Birnen blühen, bald öffnen auch die Apfelbäume ihre Blüten. Das ist der Zeitpunkt, an dem eine Tour durch die Streuobstwiesen ein besonderes Erlebnis für alle Sinne ist. Wer genauer wissen möchte, was da blüht, also um welche Sorte es sich handelt, hat bei dem Rundweg in Bretzenacker – einem Ortsteil von Berglen , der etwa zehn Kilometer von Waiblingen entfernt liegt, eine gute Möglichkeit.
Da stehen Birnbäume mit dem Namen Oberösterreicher Birne, die Bühler Zwetschge, der Apfel Schwaikheimer Rambour und viele weitere, die die Vielfalt der alten Sorten vor Augen führt. Den Streuobstpfad hat der Obst- und Gartenbauverein Bretzenacker angelegt. Es sei ein sehr starker und engagierter Verein, sagt Streuobstexperte Andreas Hieber. Es werde immer wieder nachgepflanzt und der Streuobstpfad betreut. Der Pfad ist als Rundweg angelegt.
„Die Prognose sieht so aus, dass kein Regen in Sicht ist“, sagt Hieber. Also beste Voraussetzungen, um das „Kirschblütenparadies vor unserer Haustür“ mit allen Sinnen zu erleben. Auch wenn es verschiedene Kirschsorten gibt, so blühten diese im ziemlich gleichen Zeitraum, so Hieber. Einen weitaus größeren Unterschied mache der Standort aus. Seit dem ersten Aprilwochenende etwa blühen die Kirschbäume. Welche Auswirkungen der Frost mit etwa minus zwei Grad am Montagmorgen in Leutenbach mit sich bringe, sei noch nicht abzuschätzen. Frost und kurz darauf pralle Sonne, das sei jedoch keine gute Kombination, weiß der Experte.
Berglen hat eine große Tradition im Kirschanbau
Wie groß die Tradition des Kirschanbaus war, darauf verweist eine Tafel am Standort der ehemaligen Kelter bei Oppelsbohm. 1870 sei der Weinbau dort der Konkurrenz der Kirsche erlegen, für die die Eisenbahn damals neue Märkte erschlossen hatte. 1918 wurde die Kelter an der Gemarkungsgrenze zu Necklinsberg abgebrochen.
„Früher war der Verbraucher näher am Erzeuger“, sagt Andreas Hieber. Heute sei diese Verbindung oft entkoppelt. Was heißt, dass im Supermarkt zu jeder Jahreszeit alles Obst zu haben ist, ohne die Wachstumsbedingungen zu erfahren. Im Hofladen gebe es die Chance, miteinander ins Gespräch zu kommen und die Bedingungen und Sorgen der Erzeuger zu erfahren.
„Es reicht nicht, einen Baum zu pflanzen, man muss ihn betreuen“
„Eine große Belastung für den Erhalt der Streuobstwiesen ist der Klimawandel“, macht der Fachmann deutlich. „Es reicht nicht, einen Baum zu pflanzen, man muss ihn betreuen wie kleine Kinder“, sagt der Inhaber einer Baumschule in Leutenbach. Auch wenn das trockene Wetter für Ausflüge willkommen sei, sei aus Sicht des Obstbaus viel zu wenig Regen gefallen. „Es ist extrem trocken und in den nächsten Tagen kein Regen in Sicht.“ Hinzu komme durch den Klimawandel die Kirschessigfliege, die hier bisher keinen natürlichen Gegenspieler habe. Daher finde der Kirschanbau mit Hochstämmen kaum mehr statt. Schutz gegen die Kirschessigfliegen würde im Obstbau inzwischen mit engmaschigen Netzen betrieben.
Dass die Streuobstparadiese weiter leben, ist für Andreas Hieber, der auch im OGV Leutenbach Mitglied ist, eine Herzenssache. Seine Begeisterung dafür ist spürbar: „Wenn es in den nächsten Tagen wärmer wird, dann gehen alle Blüten auf“, sagt er, „und es ist hier so eine herrliche Gegend, um ungestört zu spazieren.“
Auch das Fernsehen hat in der Reihe „Mensch Heimat“ Streuobst-Profis aus Berglen vorgestellt. Der Beitrag vom 5. Mai 2024 ist in der ARD Mediathek zu sehen. Tipps für Touren durch die Streuobstwiesen bietet der Tourismusverein Remstalroute – beispielsweise die erste Etappe des Jubiläumswegs des Schwäbischen Albvereins Schorndorf. Sie führt vom Bahnhof in Schorndorf aus durch das Ramsbachtal über den Königsstein nach Mannshaupten und wieder zurück zum Bahnhof und ist mit dem ÖPNV gut zu erreichen. Infos unter www.remstal.de. Einen Blüten-Ticker bietet der Verein Streuobstparadies, in dem mit Bildern und Beschreibungen verfolgt werden kann, wie es um die Blüte verschiedener Bäume auf der Streuobstwiese steht. Infos unter www.streuobstparadies.de.
Rundweg mit vielen Streuobstsorten
Obst- und Gehölzeweg
Seit 2013 gibt es den Obst- und Gehölzeweg Bretzenacker. Der Weg ist etwa 2,7 Kilometer lang und führt an mit Schildern versehenen Obst-, Laub- und Nadelbäumen entlang. Dabei handelt es sich um rund 180 Obst- und Gehölzarten. Startpunkt ist der Aussiedlerhof Kerzinger am Ortseingang von Bretzenacker. Der Pfad ist als Rundweg angelegt. Am Pfad liegt das Angusstübchen, eine Besenwirtschaft ( www.angus-stueble.de). Aufgrund des Starkregens im vergangenen Juni ist die K 1870 nach Bretzenacker abgerutscht, sodass diese als Einbahnstraße geführt wird.