Johannes Koenen, der Vorsitzende der Baum- und Fachwarte Rems-Murr, erklärt, wie wichtig alte Apfelsorten sind – und warum sie auch für Allergiker geeignet sind.
Herbst ist Apfelzeit: Für Liebhaber von Äpfeln ist das ein besonderer Genuss. Wer auf Äpfel allergisch reagiert, muss jedoch oft die Finger von den Früchten lassen. Doch alte Sorten sind für Allergiker besser verträglich. Wir haben bei Johannes Koenen, dem Vorsitzenden der Baum- und Fachwarte Rems-Murr, nachgefragt, welche Rolle die alten Streuobstsorten dabei spielen.
Herr Koenen, warum sind alte Apfelsorten für Allergiker besser verträglich?
Einfach gesagt, wurden die neuen Sorten dahin gezüchtet, dass sie resistenter und süßer im Geschmack sind. Alte Apfelsorten sind dagegen oft säuerlich. Die säurehaltigen Äpfel wurden für Most und auch zum Kuchenbacken verwendet. Polyphenole tragen zur Säure von Äpfeln bei, bei Most und Kuchen haben diese nicht gestört. Diese Inhaltsstoffe, die sich in der Randschicht des Apfels verbergen, machen den Apfel für Allergiker verträglicher. Weil Polyphenole aber gleichzeitig den Apfel sauer machen und schneller braun werden lassen, wurden sie zumeist herausgezüchtet.
Welche alte hiesige Apfelsorten sind für Allergiker demnach eher zu empfehlen?
Zum Beispiel Gewürzluiken, aber auch Boskop, der Danziger Kantapfel und die Gruppe der Renetteäpfel wie die Rote Sternrenette. Die alten Sorten sind aus Zufallssämlingen gezüchtet. Zufallssämlinge sind Samen, die zufällig wuchsen. Dabei gibt es eine sehr große Vielfalt. Die neuen Sorten sehen dagegen alle sehr ähnlich aus. Bei den Neuzüchtungen wurde vieles herausgezüchtet, dabei ist viel verloren gegangen. Das Ziel der Neuzüchtungen war vor allem eine schöne Farbe, das bedeutete, dass die Äpfel rot sein müssen. Die Streuobstsorten haben dagegen viel mehr Vielfalt. Die Vielfalt macht es bei dem Streuobst aus – das hat den Most besser gemacht. Auch die unterschiedliche Erntezeit war von Vorteil.
Beim Weinstädter Streuobsttag wurde Sonnenglanz, ein neuer Apfel für Allergiker, vorgestellt. „Da wurden alte Sorten hineingezüchtet, weil diese weniger Allergien auslösen“, hatte ein Experte berichtet. Ist das ein neuer Trend?
Ja, man ist dran, die alten Sorten reinzukreuzen. Denn Sonnenglanz kenne ich persönlich nicht und habe die Apfelsorte auch noch nicht probiert. Aber es zeigt, welch wichtige Rolle die alten Apfelsorten als Genpool einnehmen. Einige tausend Sorten mit ihren ganz charakteristischen Eigenschaften sind im Laufe der Jahrhunderte entstanden. Manche sind weit verbreitet, andere nur in einzelnen Regionen. Und viele Lokalsorten gibt es nur in sehr begrenzten Gebieten.
Was braucht es aus Ihrer Sicht, um alte Apfelsorten zu erhalten?
Es ist natürlich wichtig, eine Streuobstwiese zu pflegen. Zahlreiche Stückle sind unbetreut. Bei einigen weiß man nicht, wer sie besitzt. Wenn wir bei der Pflege unterstützen wollen, ist es sehr aufwendig, auf den Besitzer zugehen zu können. Denn aus Datenschutzgründen kann der Eigentümer nicht mitgeteilt werden. Wir können nur über die Gemeindeverwaltung bitten, dass sich der Eigentümer mit uns in Verbindung setzt.
Es sollten außerdem jede Menge der Streuobstsorten nachgepflanzt werden. Und dann kommt hinzu, dass wir darauf achten müssen, welche Obstsorte mit dem Klimawandel klarkommt. Wir müssen beobachten, welche Bäume besser mit den Wetterextremen umgehen können. Was wir derzeit leider in unserer Region sehen, ist ein Sterben der Apfelsorte Bittenfelder. Die Bäume dieser Sorte sind etwa 60 Jahre alt, und wir vermuten, dass sie unter den Folgen des Klimawandels besonders leiden. Ganze Astpartien sind dürr. Der Bittenfelder ist außerdem eine stark wachsende Unterlage für andere Sorten. Eine Unterlage ist im Obstbau die Wurzel des Baumes, auf die eine gewünschte Obstsorte aufveredelt wird. Ganz einfach gesagt, braucht es viel gemeinsames Engagement und auch ein Stück weit Idealismus, um unsere Streuobstwiesen zu erhalten.
Zur Person: Johannes Koenen ist seit 2002 Vorsitzender der Baum- und Fachwarte Rems-Murr. Der Oeffinger schult unter anderem Experten, wie man einen Schnittkurs leitet. Der Verein setzt sich für die Förderung des Obstbaus und des Erhalts der Streuobstwiesen ein sowie für die Pflanzenzucht und Kleingärtnerei.
Informationen gibt es auch unter kov-waiblingen.org. Der KOV Waiblingen ist die Dachorganisation der Obst- und Gartenbauvereine im „Altkreis“ Waiblingen und besteht aus 42 Mitgliedsvereinen.
Info: Beim vierten Schorndorfer Apfeltag am Samstag, 8. November, von 9 bis 14 Uhr dreht sich auf dem Oberen Marktplatz alles um den Apfel. Es gibt unter anderem Kulinarisches rund um den Apfel wie Bio-Apfelkrapfen der Bergerei, eine Bestimmung der Apfelsorten sowie ein Kinderprogramm.