Der Generationenvertrag ist die Basis des deutschen Rentensystems – Beitragszahler stehen ein für Rentenbezieher. Foto: Frauke Lehn

Ist die Rente ein Auslaufmodell, oder ist sie besser als ihr Ruf? Deutschland diskutiert über die Altersvorsorge. Zum Abschluss unserer Themenwoche Rente: ein Streitgespräch zwischen den Generationen.

Stuttgart - Im Streitgespräch zur Rente fordern Vertreter von Jungen und Alten eine Erneuerung des Generationenvertrags. Es diskutieren: Herbert Heinritz (75) und Wolfgang Gründinger (32). Heinritz ist Diplom-Ingenieur für Textilchemie und Erster Vorsitzender des Bündnisses für Beitragszahler und Rentner (BBR). Er lebt in Bönnigheim. Gründinger ist Politikwissenschaftler und Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRZG). Er lebt in Berlin.

In Deutschland gab es noch nie eine Rentnergeneration, der es so gut ging wie der heutigen. Stimmen Sie zu, Herr Heinritz?
Heinritz: Ich würde sagen, den Rentnern von gestern ging es noch besser. Zu Zeiten von Arbeitsminister Norbert Blüm waren die Renten noch traumhaft, das Rentenniveau lag bei 53 Prozent. Inzwischen sind wir bei 47 Prozent, und das Niveau sinkt weiter. Auch die aktuelle Rentnergeneration bekommt das zu spüren. Zufrieden kann nur sein, wer sich nicht allein auf den Staat verlassen und zusätzlich vorgesorgt hat.
Herr Gründinger, blicken Sie als Vertreter der jüngeren Generation manchmal neidisch auf die Rentner? Den heute Jüngeren wird es in 30 oder 40 Jahren sehr wahrscheinlich in finanzieller Hinsicht nicht so gut gehen.
Gründinger: Ich persönlich bin überhaupt nicht neidisch. Die meisten jungen Menschen sind es sicher auch nicht. Die denken auch gar nicht so oft an die Rente. Man hat schließlich noch andere Sorgen. Man muss erst mal einen Studienplatz finden, einen Job, eine bezahlbare Wohnung und einen Partner.
Wissen die Jüngeren von heute, wie es um die Rente steht?
Gründinger: Sie glauben, dass sie von ihr sowieso nichts zu erwarten haben. Das Vertrauen ins Rentensystem ist verloren gegangen. Wir Jungen müssen höhere Rentenbeiträge einzahlen, bekommen aber weniger Rente raus. Gleichzeitig müssen wir mehr privat vorsorgen, und das in einer Zeit von niedrigen Zinsen und stagnierenden Löhnen. Die Botschaft, dass es schwieriger werden wird im Alter, ist angekommen bei den Jungen.
Herr Heinritz, den allermeisten Rentnern geht es gut. Trotzdem organisieren Sie mit dem Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner den Protest gegen das Rentensystem. Warum?
Heinritz: Weil wir in der Altersvorsorge ein Zweiklassensystem haben. Es gibt die solidarisch Zwangsversicherten, die ins gesetzliche Rentensystem einzahlen müssen. Denen wird staatlicherseits eine Verarmungspolitik verordnet, siehe die Absenkung des Rentenniveaus. Und es gibt die nicht solidarisch Versicherten, also Freiberufler, Richter, Beamte, Selbstständige und Politiker. Die haben eigene und bessere Alterssicherungssysteme für sich geschaffen. Damit haben sie sich auch von vielen Lasten, die das gesetzliche Zwangssystem schultern muss, befreit. Das Stichwort lautet: versicherungsfremde Leistungen.
Erklären Sie uns das bitte?
Heinritz: Nehmen wir zum Beispiel die Mütterrente. Dafür werden zurzeit 6,5 Milliarden Euro jährlich aus der Rentenkasse genommen. Davon profitiert auch die Zahnarztgattin, selbst wenn sie nie in die Rentenkasse eingezahlt hat. Die Sozialgerichte haben so für den Fall entschieden, wenn das eigene Versorgungswerk der Zahnarztgattin die Mütterrente nicht leistet.
Haben Mütter die Rente nicht verdient?
Heinritz: Das ist nicht der Punkt. Natürlich kann man die Erziehungsleistung von Frauen honorieren. Aber dafür müssen alle geradestehen, nicht nur die Rentenbeitragszahler. Durch die versicherungsfremden Leistungen werden der Rente enorme Mittel entzogen. Die Finanzminister sagen, sie würden im Gegenzug entsprechende Zuschüsse an die Rentenkasse leisten, doch das stimmt nicht. Der Staat nimmt mehr raus, als er gibt. Seit 1957 sind das rund 700 Milliarden Euro, ohne Zinsen wohlgemerkt. Für mich ist das Versicherungsbetrug.