Daenerys Targaryen(Emilia Clarke) hat in „Game of Thrones“ die Gewalt über mächtige Ungeheuer.Foto:HBO Foto:  

Die Kultserie „Game of Thrones“ steht vor der letzten Folge. Jahrelang hat sie Millionen Menschen in Atem gehalten. Aber nicht alle verfielen ihr. Ein Streitgespräch in unserer Redaktion zwischen einem heißen Fan und einer kühlen Spötterin.

Stuttgart - Nach acht Staffeln geht die 2011 gestartete Serie „Game of Thrones“ nun zu Ende. Das Fantasyreich hat viele Zuschauer unter anderem mit seinem Realismus beeindruckt. Es kam manchen aber auch immer schon lächerlich vor. Auch unsere Redakteure Ariane Holzhausen und Thomas Klingenmaier konnten sich über den Wert der Serie nie einigen.

Thomas Klingenmaier Ich bin fassungslos, Ariane. Wie kann ein Mensch es schaffen, sich acht Jahre lang dem Phänomen „Game of Thrones“ völlig zu verweigern?

Ariane Holzhausen Guter Geschmack? Höhere Ansprüche? Sittliche Reife?

TK Bodenlose Frechheit.

AH Es ist ja nicht so, dass ich es nicht mitbekommen hätte. Mein Mann ist Fan, und wenn er hinter der Schiebetür jede Folge so früh wie möglich geschaut hat, drangen viele Dialoge und Geräusche zu mir durch. Und hinterher hat er tagelang mit mir darüber reden wollen. Ich bin besser informiert als die Produzenten der Serie.

TK Aber dann muss Dich doch Neugier gepackt haben, die Figuren und Orte mit eigenen Augen zu sehen?

Komische Namen und Hände

AH Mir geht schon der Wust komischer Namen und Figuren auf die Nerven, diese Stammbaumakribie, mit der erzählt wird, warum Daenerys Tonkawonka diesen oder jenen Thronanspruch hat. Oder mit wem Lord Hubblenose-Thropbottom warum noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Das klingt doch alles nach Loriot. Und irgendjemand wird dann „die Hand“ von jemand anderem? Kann ich auch Hand werden? Oder bin ich eher Fuß? So ein Quatsch. Was gefällt Dir denn daran?

TK Ich war lange fasziniert von der Sorgfalt, mit der da eine fantastische Welt entworfen wird. Vom Ernstnehmen der alles prägenden Gewalttätigkeit. Das ist eben kein Ritteridyll. Da sind alle menschlichen Beziehungen von Machtspielen und von Gier oder von zynischem Pragmatismus und nackten Überlebensnöten geprägt.

AH Supersympathisch. Genau der Ort, an den ich mich wegträumen möchte. Mit einer Köpfung oder Pfählung als Amüsierhöhepunkt. Da muss es Dich doch schaudern, oder nicht?

TK Es ist eine andere Welt, die unsere spiegelt. Aber eben nicht platt identisch ist mit ihr. Sie behält das Fremde: Drachen, Untote, Magie, funktionierende Großbauprojekte.

Drachen und Erzähltricks

AH Wir reden hier aber schon noch von einer Fernsehserie. Von einem Bündel erzählerischer Tricks und Finten. Manche Fans machen da eine Religion daraus. Das ist völlig überzogen.

TK Aber in seiner Hingabe doch auch wieder interessant, oder? Das muss Dich doch, gib’s zu, irgendwann zum eigenen Anschauen gereizt haben?

AH Einen Moment lang dachte ich, das könnte mich jetzt vielleicht interessieren. Als ich hörte, dass da Drachen schlüpfen. Also das Durchpäppeln und Erziehen dieser Monster eine Rolle spielen würden. Aber dann waren die Viecher doch ganz schnell groß, und jetzt sind schon welche tot. Da war‘s wieder rum bei mir.

TK Das zeigt doch schön die erzählerische Courage der Serienmacher. Sie schöpfen eben nicht die Drachenfaszination vieler Fantasyfreunde ab. Sie betonen die Besonderheit und Macht dieser letzten ihrer Art, aber dann entmachten sie auch diese imposanten Tiere.

AH Das ist der gleiche billige Trick, den die Serie von Anfang an anwendet: Sympathieträger wegmetzeln. Funktioniert einmal. Wird schnell langweilig. Nervt dann nur noch.

Auferstehung und Naivität

TH Das wagt doch kaum eine Fernsehserie. Sonst wird vielleicht mal nach fünf Staffeln eine sehr sympathische Nebenfigur aus dem Spiel genommen. Dann gibt es waschkörbeweise Fanbeschwerden, und man muss froh sein, wenn der Charakter nicht dank einer miesen Drehbuchvolte wieder auferstehen darf.

AH Da hast Du’s doch. In „Game of Thrones“ darf Jon Snow auch wieder auferstehen. Wie blöd ist das denn? Erst große Aufregung um seinen Tod, dann steht er wieder da wie Unkraut. Da ist doch jeder Serientod entwertet.

TK Anfangs ist Snows Wiederauferstehung aber gar nicht tröstlich, sondern sehr unheimlich. Es gibt ja Andeutungen, dass er nicht als der aus dem Totenreich zurückkommt, als der er hinübergeschickt wurde. Zugegeben, dieses Unheimliche verschwindet dann, irgendwann ist er noch mehr Held als vorher.

AH Das hast ja auch nur Du Dir in Deiner Naivität eingebildet, dass die was anderes vorhätten als einen billigen Hütchentrick. „Lebendig. Huppsa, tot! Nein, hoppla, doch nicht tot!“ Peinlich, so was.

Etwas für die Rollenspieler

TK Du willst nicht wahrhaben, dass da mehr als billige Dramaturgieeffekte geboten wurden. Zum Beispiel …

AH Ja, zum Beispiel jede Menge mittelalterlicher Kostüme. Die ganze Serie ist doch bloß was für Rollenspieler, die sich gern verkleiden.

TK Da tust Du der Komplexität der Figurenentwicklung, dem Zickzack der Schicksale arg Unrecht.

AH Komisch, dass ich trotzdem schon weiß, wie es ausgehen wird.

TK Da täuscht Du Dich. In der fünften Folge der achten Staffel zum Beispiel …

AH Du Nerd! Du Rollenspieler!

TK Ich versuche, mitzudenken. Was die Serienmacher ausnahmsweise möchten.

Alles auch eine Zeitfrage

AH Hättest Du mal lieber über anderes nachgedacht. Weißt Du, wie viel Zeit Du mit „Game of Thrones“ verbracht hast?

TK Äh ….

AH 73 Abende. An denen Du Deine Familie vernachlässigt, keine Bücher gelesen und keinen Überraschungskuchen für nette Kolleginnen gebacken hast!

TK Ich muss zugeben: Ich habe sogar manche Staffeln zweimal gesehen. Und das Zusatzmaterial der Blu-rays geguckt.

AH Oh Gott! Kein Wunder, dass Du keine Freunde hast.

TK Von wegen. Ein „Game of Thrones“-Fan hat automatisch Millionen Freunde in aller Welt.

Was sind das für Fans?

AH Ja, real Vereinsamte im Internet, die endlos darüber rätseln, ob Daenerys am Ende ihren Drachen heiraten wird.

TK Gesellige Menschen, die jetzt mit einem gemeinsamen Bildervorrat durchs Leben gehen.

AH Eher: die jetzt über eine gemeinsame Enttäuschung jammern. Ich habe gar nicht erst angefangen zu schauen, weil ich damals nach jahrelangem Fasziniertsein von „Lost“ vom Mistende dieser Serie so maßlos enttäuscht war. Lange Serien finden nie ein vernünftiges Ende.

TK Zugegeben: Die achte Staffel hat neben einigen großen Momenten auch viele Enttäuschungen gebracht. Aber noch kann die letzte Folge einiges gutmachen.

Zeit der Wehmut

AH Auch zugegeben: Ich bin doch ein bisschen wehmütig.

TK Siehst Du wohl.

AH Ja. Es war so rührend anzusehen, mit wie wenig Männer glücklich zu machen sind.

TK Das ist fraglos unsere beste Seite.

Verfügbarkeit: Die neuen Folgen von „Game of Thrones“ hat in Deutschland zuerst Sky. Die alten Staffeln und zeitlich versetzt die neusten Folgen gibt es bei diversen Streaming- bzw. Downloadanbietern, z.B. Amazon, iTunes, Google Play. Die Staffeln 1-7 sind bei Warner Home Video als Blu-ray und DVD erschienen.