Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) bei einem früheren Zufallstreffen mit Landesbeamtenbund-Chef Volker Stich auf dem Bahnhof in Mannheim (Symbolbild). Foto: dpa

Die Beamten und Angestellten des Landes sollen auf Dienstreisen über 100 Kilometern nicht mehr generell in der ersten Klasse Bahn fahren. Geplant ist eine flexiblere Regelung mit einem Spareffekt. Der Beamtenbund in Baden-Württemberg leistet Widerstand.

Stuttgart - Angesichts oft hoffnungslos überfüllter Züge hat der Beamtenstatus einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Die baden-württembergischen Staatsdiener dürfen auf ihren Dienstreisen erster Klasse fahren, wenn die Entfernung mehr als 100 Kilometer beträgt. Bei kürzeren Fahrten werden lediglich die Kosten der zweiten Klasse erstattet. Dieser Erste-Klasse-Freifahrtschein wird mit dem geplanten neuen Reisekostengesetz abgeschafft, das generell auch für die Tarifangestellten des Landes gilt. An seine Stelle tritt eine flexiblere Regelung, die den einzelnen Ressorts mehr Spielraum gibt.

„Das passt gar nicht zu Grün-Schwarz“

Der Entwurf des Finanzministeriums sollte bereits in den Landtag eingebracht werden, doch wurde die erste Lesung am 12. Oktober kurzfristig abgesetzt. Nun ist sie spätestens Anfang 2018 vorgesehen. Allerdings mag der Beamtenbund nicht mitziehen. Wenn die Regelung ins Ermessen der Ministerien gestellt werde, „ist mit einem rigiden Sparkurs zu rechnen“, rügte Landesbund-Chef Volker Stich gegenüber dieser Zeitung. Viele Personalräte zum Beispiel würden im Zug gerne Dienstliches erledigen. „Es gibt aber Bahnverbindungen in Baden-Württemberg, etwa vom Bodensee nach Stuttgart, bei denen in der zweiten Klasse an Arbeiten nicht zu denken ist.“ In der Konsequenz würden Betroffene verstärkt „aufs Auto umsteigen“, fürchtet er. Dies hätten Personalvertreter ihm bereits signalisiert. Stich: „Das passt gar nicht zu Grün-Schwarz.“

Der Beamtenbund sei im Rahmen der Anhörung zwar beteiligt worden, doch seien entscheidende Einwände nicht aufgegriffen worden. „Das muss korrigiert werden.“ Nun will Stich das Thema am Dienstagnachmittag in die sogenannte Kaminrunde mit Staatsminister Klaus-Peter Murawski (Grüne) sowie den Ministerialdirektoren von Finanz- und Innenministerien einbringen. „Das ist der einzige Punkt, bei dem wir mit der Landesregierung noch hadern“, sagt Stich. Sonst gebe es eine gute Zusammenarbeit. „An der Stelle wäre etwas mehr Bewegung sinnvoll gewesen.“

Werben für Beamte auf Widerruf

Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) sieht ihrem Sprecher zufolge eine „Priorität“ darin, die Dienstreisen auf die zweite Klasse zu verlagern. Davon erhoffe man sich einen Spareffekt, wenngleich offen sei, wie hoch dieser ausfallen werde. Dennoch will er die Aufregung nicht teilen: „Im Kern vereinfacht dieses Gesetz vieles, was bisher komplex geregelt war.“ Zudem könnten die Ressorts nach ihren Bedürfnissen entscheiden. „Wir machen keine Vorgaben.“ Fahrten in der ersten Klasse seien damit nicht ausgeschlossen. Beispiel: Wer sechs Stunden nach Berlin fahre und nebenher arbeiten möchte, müsse freitagnachmittags erste Klasse buchen – sonst sei dies nicht möglich. In diesem Geiste soll das Gesetz in der gesamten Landesverwaltung funktionieren.

Unterschied zwischen Gelegenheitsfahrern und Vielfahrern

Einige andere Länder orientieren sich an der Regelung für die Bundesbeamten: Dort ist die Reise erst ab einer Fahrtzeit von zwei Stunden erstattungsfähig. In Rheinland-Pfalz sind es Minimum drei Stunden, Bayern macht es von der Besoldungsstufe abhängig – dort wird ab Stufe A8 aufwärts die erste Klasse ermöglicht. In Nordrhein-Westfalen muss man fürs angenehmere Reisen „triftige Gründe“ vorweisen.

Vereinfacht wird im Landesreisekostengesetz zudem die Wegstreckenentschädigung: Bisher musste der dienstreisende Beamte in Baden-Württemberg „triftige Gründe“ nennen können, um für Fahrten mit dem Privatwagen 25 Cent je Kilometer zu erhalten – in genehmigten Ausnahmefällen 35 Cent. Künftig gibt es 25 Cent auch bei Nutzung eines Fahrrads oder E-Bikes – ohne gesonderte Prüfung. Die 35 Cent sind Außendienstlern wie etwa Betriebsprüfern in der Finanzverwaltung vorbehalten, die dringend auf ihren Wagen angewiesen sind. Die 16-Cent-Erstattung bei Verkehrsmitteln mit geringem Hubraum wird abgeschafft. Dies solle eine Verwaltungsvereinfachung bringen, aber keine Einschränkung, so der Sprecher des Finanzministeriums. „Wir unterscheiden zwischen Gelegenheitsfahrern und Vielfahrern – und wir rechnen damit, dass öfter der höhere Satz verwendet wird.“

Werbung um qualifizierten Nachwuchs beeinträchtigt

Baden-Württemberg regelt die Wegstreckenentschädigung im bundesweiten Korridor. Diverse Länder setzen bei einem „triftigen Grund“ zwischen 25 Cent (Rheinland-Pfalz, Sachsen) und 35 Cent (Bayern, Hessen) an. Der Bund hat ein Modell mit unterschiedlichen Sätzen, bei dem es für den höheren Satz ein „erhebliches dienstliches Interesse“ geben muss.

Der Beamtenbund ist aber auch an dieser Stelle unzufrieden: Stich pocht auf einen einheitlichen Satz von mindestens 35 Cent. „Die Kosten sind gestiegen“, argumentiert er. Ferner bemängelt der Landesbund-Vorsitzende, dass die Reisekosten bei Beamten auf Widerruf – etwa Beamten im Referendariat – lediglich zu 50 Prozent ersetzt würden. Dies beeinträchtige das Werben um qualifizierten Nachwuchs, moniert Stich. Freilich gilt auch hier: Dies können die Ministerien künftig in Eigenregie regeln.

Für Flugreisen gilt weiterhin: Grundsätzlich hat der Bahn- und Busverkehr Vorrang. Wird jedoch „aus besonderen dienstlichen oder wirtschaftlichen Gründen“ ein Flugzeug gebucht, wird der Standardtarif – im Volksmund „Holzklasse“ genannt – erstattet. Künftig ist die Zahlung für sogenannte Klimaausgleichsprojekte verpflichtend für alle Ministerien und nachgeordnete Behörden – bisher galt dies nur bei Regierungsmitgliedern.

35 Millionen Euro für Dienstreisen

Pro Jahr gibt das Land etwa 35 Millionen Euro für Dienstreisen seiner Beschäftigten aus. Das Kultusministerium kommt laut dem Haushaltsplan für 2018 auf rund 14,5 Millionen, das Finanzministerium auf 9,5 Millionen sowie das Innenministerium auf 4,6 Millionen. Alle anderen Ressorts bleiben deutlich darunter. Abhängig sind diese Zahlen von starken Schwankungen: So werden in manchen Jahren hohe Reisekosten bei der Polizei durch viele bundesweite Großeinsätze oder in der 16 000-köpfigen Finanzverwaltung durch aufwendige Systemschulungen verursacht.