Hinter den Kulissen wird um das Bauland für 250 Wohnungen auf der Prag heftig gestritten. Mittlerweile laufen mehrere Verfahren parallel.
Stuttgart - Obwohl neue Wohnungen in Stuttgart so dringend gebraucht werden wie noch nie, herrscht auf einer der größten Bauflächen der Stadt seit Jahren Stillstand. Das ursprünglich für den Baustart des Projekts „Wohnen im Theaterviertel“ anvisierte Datum liegt bereits rund dreieinhalb Jahre zurück. Die Erklärungen für die enorme Verzögerung gehen weit auseinander. Offiziell ist die Rede von einer überraschend entdeckten Stromleitung im Boden. Doch hinter den Kulissen wird mit harten Bandagen um das Baugrundstück gestritten – aktuell laufen mehrere Gerichtsverfahren parallel. Seit wenigen Tagen liegt der Stadt nun der Bauantrag des Investors vor.
Den geplanten zeitlichen Ablauf des Projekts gab der Leiter des Stadtplanungsamts, Detlef Kron, im Sommer 2014 so zu Protokoll: „Ich rechne mit dem Baustart für Anfang 2015. Die ersten Häuser könnten dann in eineinhalb Jahren stehen.“ Somit hätten die ersten Bewohner des neuen Quartiers Ende 2016 in ihre neuen Wohnungen einziehen sollen. Doch erst im Juni 2018 liegt der Verwaltung der Bauantrag vor. Wenige Tage darauf verkauft die Stadt den eigenen Flächenanteil, welcher zum Bau des Wohngebiets notwendig ist. an den Investor.
Doch aus welchem Grund kommt es in einer Zeit, in der selbst laut Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) Wohnungsnot herrscht, zu solchen Verzögerungen beim Bau neuer Wohnhäuser? Auf Anfrage unserer Zeitung liefert die Pressestelle der Landeshauptstadt folgende Erklärung: Erste Vertragsverhandlungen mit dem Investor Instone (damals noch unter dem Namen Formart) hätten im März 2015 stattgefunden. Die Stadt spricht von komplexen Verhandlungen und verweist auf „umfangreiche städtebauliche Vorgaben“. Weiter heißt es aus dem Rathaus: Im August 2016 habe sich herausgestellt, dass eine Verlegung einer in der Rheinstahlstraße liegenden Stromleitung das Grundstücksgeschäft vor unüberwindbare zeitliche und ökonomische Hürden stellen würde. „Daraufhin erfolgten Umplanungen der Firma Instone“, so das Rathaus weiter. Und: „Diese geänderten Planungen wurden im August 2017 abgestimmt.“ Ende vergangener Woche wurde nun der Verkauf der städtischen Flächen an Instone beurkundet, berichtet die Pressestelle der Landeshauptstadt weiter.
Es laufen mehrere Klagen rund um das Bauland auf dem Pragsattel
Ob die Verzögerung von mehreren Jahren tatsächlich allein auf ein überraschend entdecktes Kabel im Boden zurückzuführen ist, darüber wird spekuliert. Fakt ist jedenfalls, dass inzwischen gleich vor mehreren Gerichten um genau diese Flächen gestritten wird. Zum einen steht der erste Verkauf des Areals auf dem Pragsattel vom August 2013 im Zentrum einer aktuellen milliardenschweren Klage. Der ehemalige Eigentümer, ein Stuttgarter Geschäftsmann names Hafez Sabet, fordert Schadenersatz von der Deutschen Bank und behauptet, seine Grundstücke seien als Teil der Insolvenzmasse seiner Unternehmen bewusst unter Wert verkauft worden. Die Bank äußert sich auf Anfrage nicht zu den Streitigkeiten.
Zudem läuft inzwischen auch ein Verfahren vor dem Landgericht Köln. Kläger dort ist die Foros Unternehmensberatung. Die Stuttgarter Stadtverwaltung kennt den Inhalt des Verfahrens, der Kläger hatte das Rathaus vor Beginn der Beweisaufnahme angeschrieben. In dem Brief heißt es unter anderem: Der Kaufvertrag, mit dem der Investor Formart (heute Instone) in den Besitz der Grundstücke gelangt ist, sei Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Zudem wolle man die Verwaltung davon in Kenntnis setzen, dass Foros über eine Treuhandkonstruktion an den Projektgesellschaften Maybach beteiligt gewesen sei. Dabei handelt es sich um die zwischenzeitlichen Eigentümer des Areals, die im März 2015 an Formart (heute Instone) verkauft haben. Foros schreibt zudem, das Unternehmen hätte dem Verkauf zustimmen müssen, was nicht geschehen sei. Auch der Käufer Formart sei darüber informiert gewesen, so Foros weiter. Wörtlich heißt es in dem Scheiben des Unternehmens an die Stadt: „Sollten wir mit unserer Rechtsauffassung durchdringen, wäre der Grundstückskaufvertrag vom 11. März 2015 schwebend unwirksam.“ Die Stadt will sich auf Anfrage „nicht zu privatrechtlichen Streitigkeiten Dritter“ äußern.
Der Investor Instone lässt auf Anfrage über eine Pressesprecherin ausrichten: „Die Verzögerungen haben ausschließlich etwas mit der nicht möglichen Verlegung des Starkstromkabels im Bereich Rheinstahlstraße zu tun.“ Und: Der 2016 bereits fertige Bauantrag habe nach der Entscheidung, dass das Kabel an Ort und Stelle verbleibe, weitestgehend neu erstellt werden müssen.
Wann es in dem Milliardenstreit des Stuttgarter Geschäftsmanns mit der Deutschen Bank zu einer Entscheidung kommt, ist derzeit nicht abzusehen. Bei dem Verfahren in Köln will das dortige Landgericht Anfang Oktober dieses Jahres in die Beweisaufnahme eintreten. Ziel der Foros ist nach eigener Aussage die Rückabwicklung des Kaufvertrags vom März 2015. Sollte es so kommen, könnte sich der Wohnungsbau auf dem Pragsattel nochmals deutlich verzögern.