Der Zusteller war für einige Monate arbeitsunfähig. Foto: Archiv (dpa/Bernd Wüstneck)

Ein Zusteller hatte Paket in der Poststelle prüfen lassen, nachdem es Verwirrung um die Namensschilder an einem Haus gegeben hatte. Der Empfängerin stieß das so sauer auf, dass sie dem Mann gewaltsam seinen Autoschlüssel entriss.

Steinheim - Hunde als eine Hauptgefahrenquelle für Postboten? Einem Zusteller in Steinheim wurde 2019 stattdessen eine aggressive Frau zum Verhängnis. Der Staatsanwalt warf der 44-Jährigen nämlich vor, im September 2019 dem Postboten, der ein größeres Paket in beiden Händen trug, seinen am Ringfinger hängenden Schlüssel entrissen zu haben. Dabei brach der Finger, der Mann musste operiert werden und war einige Monate arbeitsunfähig. Gegen einen Strafbefehl über 60 Tagessätzen von je 100  Euro legte die 44-Jährige Einspruch ein.

Klingelschilder waren verschwunden

Damit tat sich die Steinheimerin jedoch keinen Gefallen – denn auch das Strafgericht Marbach sah in dem Fall zweifelsohne eine vorsätzliche Körperverletzung. Mit ihrer Rolle in der Sache fand sich die Angeklagte aber auch vor Gericht noch lange nicht ab. Vielmehr ereiferte sie sich darüber, dass der Postmann sechs Wochen zuvor plötzlich ihre Post und Pakete nicht mehr zugestellt habe. So könne sie nicht weiter expandieren mit ihrem Versandhandel. „An der Immobilie waren zwei Klingeln der Vorbesitzer, vor die ein Schild mit dem neuen Namen gesteckt war, doch Mitte August waren diese Schilder weg“, erklärte der betroffene Postbote.

Der Finger lässt sich noch immer nicht richtig bewegen

Im Anschluss kamen Pakete an, die zwar den richtigen Vornamen der Angeklagten, aber den Nachnamen der Vorbesitzer trugen. „Die habe ich dann im Postamt gelassen, um die Sache von der Dienststelle abklären zu lassen.“ An besagtem Septembertag habe die Frau schließlich wütend die Herausgabe ihrer Pakete verlangt, „sie könne schließlich auf jeden Namen bestellen, den sie wolle“, erzählte der 55-Jährige weiter.

„Ich sagte ihr, dass ich nichts für sie dabei hätte, daraufhin schnappte sie nach dem Autoschlüssel.“ Ein stechender Schmerz im Finger ließ ihn umgehend ahnen, dass dieser gebrochen war. Jetzt, zwei Jahre nach der Tat kann er den Finger immer noch nicht wieder vollständig bewegen. Die Version des Postbeamten bestätigten in wesentlichen Teilen zwei unbeteiligte Zeugen.

Schülerin und Student als Zeugen

Eine Schülerin hatte mitbekommen, wie die beiden gestritten hatten und der Beamte plötzlich aufschrie und gerufen habe: „Sie haben mir den Finger gebrochen.“ Die Reaktion der Frau war dem Mädchen unheimlich: „Die rief ‚Mir egal’, stieg in ihr Auto ein und zeigte den Mittelfinger.“ Der zweite Zeuge, ein Student, sah die Frau „flott zum Postauto fahren und so hastig aussteigen, dass sie die Fahrertür offen stehen ließ“.

„Sie waren auf Krawall gebürstet und wollten den Autoschlüssel, weil sie dachten, dort sind ihre Pakete“, stellte Richterin Ursula Ziegler-Göller fest: „Alles andere war Ihnen egal.“ Sie verurteilte die Frau zu 100 Tagessätzen zu jeweils 100 Euro. Schließlich belehrte sie die 44-Jährige noch, dass sie nicht auf irgendeinen Namen bestellen darf, sonst „besteht der Verdacht auf Betrug“.