Zum Abschluss der Konzertreihe coverte die Tribute-Band „Abba Dream“ Songs der Kultband aus den 1970er-Jahren. Foto: factum

Auch nach dem letzten Konzert beim Möbelhaus Hofmeister gibt es anschließend wieder eine Kundgebung auf dem Sindelfinger Marktplatz. Dass diese Konzerte nicht mehr dort stattfinden dürfen, ärgert viele Sindelfinger quer durch alle Generationen.

Sindelfingen - Zum Abschluss ist es richtig voll: etwa 2000 Leute sind gekommen, um beim letzten Sindelfingen-rockt-Konzert für dieses Jahr bei Klängen von Abba-Dream zu feiern. Es ist die Musik der Generation 50 plus. Sie ist das Zielpublikum des Veranstalters Johannes Leichtle. Dass diese Konzerte nicht mehr auf dem Marktplatz stattfinden dürfen, sondern beim Möbelhaus Hofmeister, das ärgert aber viele Sindelfinger quer durch alle Generationen.

Während draußen im Sindelfinger Osten noch getanzt wird, organisieren andere auf dem Marktplatz Gegenaktionen zum Konzertverbot – erst am Dienstag hatte der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Stuttgarter Gerichts bestätigt. Dieses hatte der Klage einer Anwohnerin wegen Lärmbelästigung recht gegeben.

Empörung quer durch alle Generationen

Die Empörung in der Stadt wächst. „Wegen zwei, drei, vier Leuten, die sich gestört fühlen, müssen Tausende verzichten“, klagt Jörg Mornhinweg. Er avancierte in den vergangenen Wochen zum Sprecher der bunt gemischten Demonstrantengruppe. Auf dem oberen Marktplatz hat sich die alternative Szene um Andi Ankele, den Wirt der Altstadtkultkneipe Traube versammelt. Junge Leute lassen Deutschrock und Metal laufen. Ein paar Meter weiter trifft sich das hippe Stadtpublikum zu einer Stehparty vor dem Modeladen Irene Georgii. Ein DJ legt Abba auf. „Wir haben hier immer gefeiert, wenn ‚Sindelfingen rockt’ war“, sagt die Inhaberin Irene Georgii. Jetzt machen wir es eben alleine.“ Für sie geht es um weit mehr als um den Ausfall der fünf Konzerte. „Wer weiß, gegen welche andere Veranstaltungen dann noch geklagt wird.“ Sie als Geschäftsfrau sei auf solche Events in der Innenstadt angewiesen, betont die Ladeninhaberin.

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Langsam füllt sich der sonst am Abend tote Marktplatz. Eine weitere Gruppe junger Leute kommt mit einem tragbaren Lautsprecher an. Einen regelrechten Wettkampf liefern sich jetzt die drei Gruppen mit ihrer Musik. Emma und Vivienne, beide 16 Jahre alt, tanzen ausgelassen. „Wir waren früher immer mit unseren Eltern bei den ‚Sindelfingen-rockt’-Konzerten. Wir finden es schade, dass sie jetzt verboten wurden.“ Heike Krause läuft kreuz und quer über den Marktplatz, spricht jeden an. Die 51-Jährige sammelt Unterschriften für „Sindelfingen rockt“ auf dem Marktplatz. Fast 3000 Leute haben schon unterschrieben.

Fast 3000 Unterschriften für Konzerte gesammelt

Gegen 22.30 Uhr haben sich etwa 400 Demonstranten versammelt. Deutlich weniger als letztes Mal. Wahrscheinlich lockt das Freibier im Sindelfinger Osten mehr, vermutet Mornhinweg. Er schnappt sich das Megafon. „Wir sind zusammengekommen, um eine Niederlage zu feiern“, ruft er. „Doch wir geben nicht auf.“ Trillerpfeifen schrillen. Nachtruhe stellen sich die lärmempfindlichen Nachbarn vermutlich anders vor. Doch eine angemeldete Demo ist etwas anderes als ein Konzert. Da sind Trillerpfeifen und Musik erlaubt.

„Die zwei, drei, die dagegen sind, jagen wir aus dem Flecken“, ruft einer. „Nein“, erwidert Mornhinweg, „genau das tun wir nicht. Wir versuchen weiter, mit denen zu reden.“ Eine Spaltung in Sindelfingen will auch die Baubürgermeisterin Corinna Clemens unter allen Umständen vermeiden. Auch sie will mit den Gegnern im Gespräch bleiben. Allerdings würden diese das im Moment ablehnen, räumt sie ein.

„Wir als Stadt sind stolz auf Sie“, ruft Clemens den Demonstranten zu. „Sie haben mit den Füßen abgestimmt und sind hierher gekommen, fünf Mittwoche hintereinander.“

Wie es weiter geht mit „Sindelfingen rockt“, weiß Clemens freilich nicht. Im kommenden Jahr muss die Stadt den Kampf vermutlich erneut aufnehmen. Eine Chance zu gewinnen hat sie nur, wenn sie die Genehmigung für die Konzerte frühzeitig erteilt, nicht erst wie dieses Jahr im Juli. Dann ist Zeit für eine juristische Klärung. Der Baubürgermeisterin liegt viel daran, ebenso wie dem OB Bernd Vöhringer, der bei den ersten beiden Demos mit dabei war. „Es geht um weit mehr als um die fünf Konzerte. Es geht darum, wie wir unsere Innenstadt beleben und wie die Bürger öffentliche Räume nutzen können“, sagt Clemens.