Ab dem 1. Juni soll in allen staatlichen Behörden Bayerns ein Kreuz hängen, wie Ministerpräsident Markus Söder verkündete. Foto: dpa

Das Kreuz mit dem Kreuz - die Bayern kennen die Auseinandersetzung bereits aus den 90er Jahren. Was den neuen Ministerpräsidenten Söder nicht davon abhält, den Streit neu zu entfachen. Auch vonseiten der Kirche bekommt er daraufhin deutliche Worte zu hören.

München - In Bayern flammt ein neuer Kruzifix-Streit auf. Nach dem Beschluss des Kabinetts von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Kreuzen in Landesbehörden hagelt es Kritik. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, mahnte in diesem Zusammenhang eine humane Flüchtlingspolitik an: „Das Entscheidende ist, dass das Kreuz nicht nur an der Wand hängt, sondern auch vom Inhalt her mit Leben erfüllt wird“, sagte der Landesbischof am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

„Das Kreuz ist genau die Grundlage dafür, dass wir immer wieder auch unbequeme Fragen an die Staatsregierung stellen“, sagte er. Das Kreuz bedeute auch „Feindesliebe, Einsatz für die Schwachen, universales Liebesgebot; also nicht die Benutzung des Kreuzes zur Abwehr gegen andere, sondern als Grundlage dafür, dass wir eine Verantwortung für alle Menschen haben.“ Dies gelte auch für Flüchtlinge, sagte Bedford-Strohm.

Am Vortag hatte das Kabinett beschlossen, dass in allen Gebäuden von Landesbehörden im Eingangsbereich ein Kreuz angebracht werden soll. Söder hatte dabei betont, das Kreuz stehe nicht für eine Religion, sondern sei ein „Bekenntnis zur Identität“ und zur „kulturellen Prägung“ Bayerns: „Das Kreuz ist nicht ein Zeichen einer Religion.“

In den meisten bayerischen Schulen hängen bis heute Kreuze

Bedford-Strohm widersprach Söder auch in dieser Frage: „Wir als Christen und wir als Kirchen werden natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass das Kreuz zuallererst ein religiöses Symbol ist.“ Und weiter: „Wer das Christentum vereinnahmt, um nur die eigenen Ziele zu legitimieren, der hat das Kreuz nicht verstanden.“ Diesen Vorwurf wolle er aber niemandem konkret machen, betonte der Landesbischof.

Das Thema Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden wurde in Bayern bereits in den 90er Jahren heftig diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht entschied 1995, dass die bis dahin geltende Pflicht in Bayern, in Klassenzimmern Kreuze anzubringen, nicht verfassungskonform ist: Sie verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht. Der Aufschrei in konservativen und katholischen Kreisen war groß. Sogar der als zurückhaltend geltende Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, demonstrierte damals für das Kreuz an Schulen. Passende Pointe: Söder hängte am Dienstag in der Staatskanzlei ein Kreuz auf, das einst Wetter geweiht hatte.

In den meisten bayerischen Schulen hängen bis heute Kreuze. Das bayerische Unterrichtsgesetz wurde nach dem Karlsruher Urteil lediglich so verändert, dass die Schulleitung bei Konfliktfällen eine gütliche Einigung herbeiführen muss.

Kritik auch von wissenschaftlicher Seite

Kritik an Söders Entscheidung kam am Mittwoch auch von wissenschaftlicher Seite. Thomas Schüller, Kirchenrechtler an der Universität Münster, sagte der Deutschen Welle: „Wer politisch das Kreuz so instrumentalisiert, begreift nicht einmal im Ansatz theologisch die im Ersten Korintherbrief genannte Torheit des Kreuzes, die Stachel im Kreuz der Mächtigen und Hoffnungszeichen für die Schwachen und Entrechteten ist.“

Einen Missbrauch des Christentums warf der katholische Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose dem Ministerpräsidenten vor: Er habe mit vielen Christen gesprochen, schrieb er im sozialen Netzwerk Facebook an Söder. „Viele empfinden es zunehmend als eine Provokation und als Heuchelei, wie Sie über das Christentum öffentlich reden. In unserer Wahrnehmung wird das Christentum von Ihnen dazu missbraucht, um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben. Über diese Entwicklung bin ich gemeinsam mit vielen anderen sehr besorgt.“

Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken rät zur Mäßigung

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, riet in der Debatte zur Mäßigung. „Ich sehe keinen Grund für einen Kampf gegen Kreuze“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag). Zugleich mahnte Sternberg: „Alle Seiten sollten respektvoll mit dem Kreuz umgehen. Es geht darum zu klären, wofür Kreuze stehen: Kreuze sind nicht ausgrenzend, Kreuze sind kein Kampfmittel gegen andere, sie zeigen den Sinn und Grund unseres Glaubens, zeigen den Wert von Religion.“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir Muslime haben kein Problem mit dem Kreuz, überhaupt mit der Wertschätzung der Religion im gesellschaftlichen Leben. Die staatliche Neutralität sollte dabei aber stets gewahrt bleiben. Was nicht geht, ist die Doppelmoral, christliche Symbole zu akzeptieren, aber muslimische, jüdische oder andere aus der Öffentlichkeit zu verbannen.“