Malvina und Diaa, die Protagonisten einer umstrittenen Dokumentation im Kinderkanal Foto: KiKa

Ein 16-jähriges deutsches Mädchen und ein 19-jähriger syrischer Flüchting sind ein Paar. Der Kinderkanal von ARD und ZDF stellt die beiden vor – ein wenig sehr blauäugig. Kritik ist da erlaubt. Aber nun eskaliert die Hetze im Netz, und der Sender wirkt hilflos.

Erfurt - Viel öffentliche Aufmerksamkeit für seine Sendungen ist der öffentlich-rechtliche Kinderkanal (KiKA) mit Sitz in Erfurt eher nicht gewohnt. Schon gar nicht heftige Debatten, die Wochen nach der Ausstrahlung eines Beitrags aufflammen und nicht mehr zur Ruhe kommen. Nun hat der von ARD und ZDF gemeinsam getragene Marktführer unter den reinen Kinderprogrammen in Deutschland solch einen Aufreger: Der Ende November ausgestrahlte Halbstünder „Malvina, Diaa und die Liebe“ wird von der „Bild“, von rechtspopulistischen Bloggern und von AfD-Politikern kampagnenartig skandalisiert. Die Hass- und Kreischorgie sollte aber von einem nicht ablenken: dass sich am Malvina-Diaa-Fall auch die gefährliche Unfähigkeit linksliberaler Milieus und ehrbarer konservativer Kritiker erweist, in fruchtbaren Dialog miteinander zu treten.

Der Anlass des Wirbels, der Film des mit heiklen Problemstoffen vertrauten Regisseurs Marco Giacopuzzis, porträtiert die Beziehung zwischen dem syrischen Flüchtling Diaa und dem deutschen Mädchen Malvina – nur mit O-Tönen der beiden und einiger Menschen aus ihrem Umfeld, also ohne einordnende Kommentierung durch die Filmemacher. Der O-Ton ist zwar längst das Mittel der Wahl vieler Dokumentarfilmer, in diesem Fall und bei dieser Zielgruppe darf man aber tatsächlich fragen, ob er die richtige Wahl war.

Ein echter Kulturkonflikt

Denn so verliebt Malvina und Diaa wirken: Der Kulturkonflikt ist unübersehbar und brisan. Der Syrer Diaa hat seine Wert- und Rollenvorstellungen mitgebracht, und er zeigt bei aller Freundlichkeit kein Interesse, sie an hiesige Werte anzupassen. Er will nicht, dass Malvina andere Männer auch nur zur Begrüßung umarmt, er will nicht, dass sie kurze Röcke trägt, er sähe sie am liebsten unter dem Kopftuch und fragt nach, ob sie nicht zum Islam übertreten möchte. Die 16-Jährige betont ihre Freiheitsansprüche, versichert, Christin bleiben zu wollen, aber auf Umarmungen und kurze Röcke verzichtet sie bereits.

Dass man das kleineren Kindern nicht als Musterbeispiel einer Teenager-Beziehung vor die Nase setzen darf, wusste man auch beim Kinderkanal. Darum lief der Film in der Doku-Reihe „Schau in meine Welt“ am 26. November um 20.35, in der Hoffnung, dort würden dann eher Jugendliche zuschauen. Das ist nicht falsch gedacht, aber gerade, weil man hier Jugendliche erreicht hat, denen eine andere Aufarbeitung und Problematisierung wiederum zumutbar gewesen wäre, hätte man sich an eine vertiefende, umfassendere Aufarbeitung aus mehreren Blickwinkeln wagen müssen.

Hetzer und Kritiker

Schlimmer noch als dieses Versäumnis allerdings ist eine Schludrigkeit bei den Altersangaben, die den Hassschleudern aus der rechten Ecke nun ihre Geschosse liefert. Diaa ist ursprünglich als 17-Jähriger vorgestellt worden. Er war bei den Dreharbeiten aber bereits 19, wie der Kinderkanal nachträglich eingestehen musste. Nach dem Mord von Kandel und nach der Debatte um Altersprüfungen bei Flüchtlingen dient das Aufpeitschern aus der AfD als Beleg für eine perfide Lügenkultur der Fremden und eine willige Komplizenschaft der „Systemmedien“, im gar nicht so heimlichen Subtext auch für die Schändung minderjähriger westlicher Unschuld durch dominantes muslimisches Machotum. Der rechte Blogger Oliver Janich etwa entblödet sich nicht, von „KiKa-Propaganda“, gegen die Joseph Goebbels wie ein Waisenknabe wirkt, zu schreiben.

Sehr viel intelligenter sind die Einwände, die Alexander Wallasch auf dem Profijournalistenblog „Tichys Einblick“ vorbringt. Er schreibt: „Viele bissige Kritiker würdigen die filmische Leistung tatsächlich zu wenig. Der Film regt auf. Er macht direkt wütend. Und das ist gut so. Denn keineswegs hat man anschließend das Gefühl, Diaa käme hier mit seinen wirklich reaktionär-muslimischen Ansichten zu gut weg. Aber was hat so ein Film im Kinderfernsehen für Drei bis Dreizehnjährige verloren, wenn er doch in vielen anderen öffentlich-rechtlichen Formaten eine echte Bereicherung hätte sein können.“

Grenzwertig weltfremd

Gegen solche Beiträge wirkt die Stellungnahme auf der Website des KiKa nur verquält, ein wenig beleidigt und grenzwertig weltfremd: „Konservative Wertevorstellungen werden grundsätzlich als Standpunkte von Diaa gekennzeichnet. Sehr selbstbewusst vertritt Malvina dabei ihre Weltsicht und ihre Standpunkte, etwa wenn sie deutlich macht, dass weder eine Konversion zum Islam noch das Tragen eines Kopftuches für sie in Frage kommen. Wir halten gerade den Umgang mit diesen verschiedenen Vorstellungen zwischen gleichberechtigten Partnern für eine wertvolle Dimension dieser Dokumentation.“

„Malvina, Diaa und die Liebe“, war gewiss gut gemeint. Nun bewirkt er das Gegenteil der beabsichtigten Förderung des Zusammenlebens. Jenseits der Vernunft- und Anstandsgrenze weiß man mit der Situation bestens umzugehen. Die Politikerin Beatrix von Storch etwa twittert: „Unsere Kultur wird untergehen und Deutschland islamisch werden, solange ör-Staatssender im Kinderkanal unsere Unterwerfung als Akt der Liebe verklären, ohne dass es einen #Aufschrei gibt.“ Durch Wegducken und Aussitzen wird man solcher Zündeleien nicht Herr werden.