Facebook muss die Daten der toten Tochter nicht an die Mutter weiter geben. Foto: dpa

Wenn es darum geht, an Chat-Protokolle von Verstorbenen zu kommen, liegen das Erbrecht auf der einen Seite und das Fernmeldegeheimnis auf der anderen Seite von Justitias Waagschale. Für diese Entscheidung brauchen Gerichte besseres Handwerkszeug, sprich: Gesetze, findet Christian Gottschalk.

Berlin - Zwei Dinge sind nach dem Urteil des Berliner Kammergerichtes festzustellen. Erstens: In der konkreten Angelegenheit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und zweitens: Fälle, so ähnlich wie diesen, wird es künftig noch viel häufiger geben. Doch zunächst wird wohl der Bundesgerichtshof klären müssen, ob er dem Berliner Landgericht oder dem Kammergericht folgt. Die beiden Gerichte waren zu jeweils sehr unterschiedlichen Einschätzungen gekommen. In Justitias Waagschale liegen das Erbrecht auf der einen Seite und das Fernmeldegeheimnis auf der anderen Seite. Das sind beides Grundrechte, die gegeneinander abzuwägen immer einige Mühe bereitet. Hinzu kommen die Tücken der neuen Medienwelt, die nicht so einfach mit Gesetzestexten zu fassen sind, die zum Teil vor mehr als 100 Jahren formuliert wurden. Das Landgericht hat dem Erbrecht größeres Gewicht beigemessen, die nächsthöhere Instanz nun dem Telekommunikationsgesetz. Mit guten Gründen.

Oft gibt es wichtige Gründe für einen Einblick

Natürlich ist der Berliner Fall dramatisch. Die Eltern hoffen, anhand der Chat-Protokolle herauszufinden, ob ihre Tochter Suizid begangen hat. Der Wunsch nach Datensätzen kann aber noch bedeutendere Gründe haben. In den USA hatten FBI und Apple erbittert darüber gestritten, die iPhone-Daten eines Attentäters zu bekommen. Letztlich hat dort nicht das Gericht geurteilt. Hacker haben das Problem im Sinne der Ermittler gelöst.

Hierzulande sollten weder illegal arbeitende Computercracks über ähnliche Fälle entscheiden noch Gerichte, denen das notwendige Werkzeug fehlt, um allen Beteiligten gerecht zu werden. Es ist angebracht, dass sich das Justizministerium daran macht, die gesetzlichen Weichenstellungen vorzunehmen. Die Aufforderung dazu ist nicht erst das Berliner Urteil, sie ist sehr viel älter. Der deutsche Anwaltverein hat schon vor ziemlich genau vier Jahren eine sehr umfangreiche Stellungnahme vorgelegt, wie das Gesetz geändert werden müsste, damit das Fernmeldegeheimnis dem Erbrecht nicht länger im Wege steht.