Boris Palmer wird wegen seiner umstrittenen Äußerungen im Gemeinderat offen kritisiert. Ändern will er sich nicht. Foto: dpa

Boris Palmer erfährt auf seiner Facebook-Seite viel Zuspruch. Kräftig Prügel bezieht die Presse – und auch die Tübinger AL/Grünen-Fraktion muss Kritik einstecken, weil sie den OB im Grundsatz immer noch unterstützt.

Tübingen - Die Landesgrünen gehen deutlich auf Distanz zu ihrem Parteifreund Boris Palmer. Der Tübinger Oberbürgermeister „spricht nicht für die Grünen“, teilen die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand auf Anfrage mit. Mit seinen Wortmeldungen beteilige er sich an einer Brutalisierung der öffentlichen Debatte. „Sein Hang zur Selbstdarstellung ist unübersehbar.“ „Mit Befremden“ betrachten die Grünen-Chefs sein „Abdriften in den Rechtspopulismus“. Seine „wiederholten Ausfälle und Entgleisungen“ seien „völlig inakzeptabel“.

Bestätigung bekommt der Lokalpolitiker hingegen, wenn er seine Facebook-Seite liest. Der 46-Jährige erfährt dort viel Unterstützung. Er selbst kritisiert auf Facebook nach der Gemeinderatssitzung vom Montag ausführlich die Kommentierung unserer Zeitung. „Der Kommentar offenbart in Reinform das Problem einer Journalismusform, die bis vor Kurzem die Hegemonie für sich beansprucht hat und nun nicht mehr weiß, wie sie mit deren Verlust umgehen soll“, so Palmer. Zugleich betont er, die „Rassismus-Fremdenfeindlichkeitskeule“ beeindrucke ihn mitnichten: „Ich stelle selbst fest, dass es mir egal ist.“

„Fatwa gegen Palmer“?

Reichlich Prügel bezieht auf der Palmer-Seite die Presse. Anderen hingegen geht die Kritik an dem Politiker nicht weit genug. Die AL/Grünen-Fraktion bekommt auf ihrer eigenen Facebook-Seite ebenfalls ihr Fett weg. Den Tübinger Grünen-Stadträten wird vorgeworfen, dass sie sich nicht grundsätzlich vom streitbaren OB distanzieren. Der Tübinger Gemeinderat hat am Montagabend bei 19 Jastimmen zu neun Enthaltungen und zehn Neinstimmen eine Resolution verabschiedet, in der Palmer unter anderem dazu aufgefordert wird, sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Die AL/Grünen-Fraktion hat mehrheitlich für die Resolution gestimmt, fünf haben sich enthalten.

Beendet ist die Debatte nicht, zumal der OB schon erklärt hat, er werde sich nicht entschuldigen. Der Presse wird auf Palmers Facebook-Seite vorgeworfen, sie betreibe mit „linkem Oberlehrerjournalismus“ eine Hatz. Die Berichterstattung klinge „wie eine Fatwa gegen Palmer“, schreibt einer, für den Journalisten gleich ticken wie Islamisten. „Mit solchen Zeitungen möchte man nicht einmal einen Fisch einwickeln“, empört sich ein anderer. Jemand rät zu Gelassenheit: „Was kümmert es die stolze Eiche, wenn ein Schwein sich an ihr reibt.“

„Getroffene Hunde bellen“

Vereinzelt finden sich auch Mahner, der Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz etwa: „Jetzt fangen Sie auch schon an, Politik und Stadtwohl in einen Gegensatz zu bringen, Herr Palmer? Wodurch, wenn nicht durch politische Auseinandersetzung, soll denn entschieden werden, was dem Stadtwohl dient?“ „Es wäre schön, wenn Herr OB Palmer merken würde: Ich bin nicht unfehlbar“, schreibt ein anderer. Jemand findet, „getroffene Hunde bellen. Sie bellen immer lauter.“

„Wieder wachsweich, keine klare Stellungnahme und kein Entzug der Unterstützung. Palmer führt euch vor“, so lautet hingegen die Kritik auf der Facebook-Seite der AL/Grünen-Fraktion. Palmers Handeln sei gefährlich für das politische Klima, warnt eine andere. Manches klingt auch ein bisschen verzweifelt. „Ich mache mir Sorgen um ihn“, schreibt der Grünen-Stadtrat Bernd Gugel, der sich am Montag der Stimme enthalten hat. Palmer sei fast krankhaft getrieben, recht zu haben und Likes zu bekommen, so Gugel: „Was ihn, zum Teufel, reitet, das habe weder ich noch andere bisher richtig begreifen können.“