Hier soll das Hospiz entstehen: gegenüber dem Bahnhof an der Talstraße 35. Foto: Eibner/Drofitsch

Das am Bahnhof geplante Hospiz ist ganzheitlich zu sehen – und nicht eingeengt auf den Standort.

Böblingen - Der Streit kommt reichlich spät. Erst jetzt, als der Bau eines stationären Hospizes in Böblingen bereits in greifbare Nähe rückt, regt sich Widerstand. Manch einer ist mit dem Standort nicht einverstanden, der seit rund einem Jahr bekannt ist und damals durch die Presse ging. Mehr noch: Die geplante Errichtung eines Hospizes in der Region Böblingen/Sindelfingen ist spätestens seit der Gründung des Hospizvereins im Jahr 2018 bekannt. Und schon vorher trommelte eine aktive Schar von Unterstützern für dieses Projekt.

Vor einem Jahr konnte man die frohe Botschaft verkünden, dass ein Grundstück in der Talstraße 35 gefunden ist und mit der Böblinger Baugesellschaft ein verlässlicher Partner für das Gebäude. In dem soll das Hospiz nur einen Teil belegen; acht Betten sind geplant in einem Trakt, der von der Straße abgewandt liegt. Ein Standort, der erst jetzt, ohne erkennbaren Anlass, die Wogen der Emotion hochschlagen lässt. Dort sei es doch viel zu laut und viel zu lebendig für etwas so leises und gleichzeitig schweres wie den Tod, sagen die Kritiker in teils harschen Worten. Sie verengen die Diskussion einzig auf den Standort. Auf das, was sich jeder im ersten Moment vorstellt, wenn er von dem Vorhaben hört.

Und ja, auf den ersten Blick überrascht die Entscheidung für diesen Ort mitten im quirligen Böblinger Bahnhofsviertel. Wie kann das gut gehen, diese Nachbarschaft zwischen lärmendem Verkehr und Menschen, die im Sterben liegen? Über alldem schwebt die schaudernde Frage, wie wir selbst uns unsere letzten Tage wünschen, wenngleich „wünschen“ gar kein Wort dafür ist. Für diese Frage kann es keine einfache Antwort geben und das muss es auch nicht. Doch die Auseinandersetzung damit ist legitim. Gerade weil das Thema mit großen Emotionen belastet ist, hilft aber ein nüchterner Blick auf die Fakten.

Zunächst ist es ein großer Verdienst des Hospizvereins, überhaupt die Grundlage für ein Hospiz geschaffen zu haben – indem er einen Betreiber fand, Spendengeld sammelte und über die Stadt an ein Grundstück gelangte. Der Hospizverein tut einen edlen Dienst an der Gesellschaft und wer mit Betroffenen spricht, spürt, wie groß der Bedarf einer solchen Einrichtung in der bevölkerungsreichen Region Böblingen/Sindelfingen ist.

Die Wunschliste an einen geeigneten Standort war lang – und sie war kaum zu erfüllen: zentral und gleichzeitig abseits sollte er liegen, gut erreichbar sein und zugleich im Grünen, am besten eine alte Villa, aber mit moderner Einrichtung. Aufgabe: unlösbar. Am Ende steht ein guter Kompromiss, der vielem gerecht wird, aber vielleicht nicht jedem erdenklichen Wunsch. Eine idyllische Waldlage bietet er nicht, aber dafür eine Reihe von anderen Vorteilen.

Die Erreichbarkeit sehen die Verantwortlichen als großen Pluspunkt: Angehörige und Pflegekräfte kommen mühelos mit Bus und Bahn, Parkplätze sind freilich auch vorhanden. Und wer sich näher mit den Anforderungen an ein Hospiz befasst, stellt fest, dass es eine ganze Reihe von Qualitätskriterien gibt, die nichts mit dem Standort zu tun haben. Zuvorderst ist es der Geist, in dem so eine Einrichtung geführt wird, die Fürsorge der Pflegekräfte und deren Ausbildung. Freilich auch die Gestaltung der Zimmer, deren technische Ausstattung, Aufenthaltsräume, Möglichkeiten der Begegnung und nicht zuletzt die interkulturelle Offenheit, die immer wichtiger wird. Die Liste ließe sich noch erweitern, doch die Botschaft ist klar: Die Qualität eines Hospizes hängt nicht allein an seinem Standort.

Der von den Kritikern immer wieder ins Spiel gebrachte abgelegene Standort im Grünen mag ein nachvollziehbarer Wunsch sein. Doch solche Grundstücke wachsen nicht auf Bäumen. Vor allem nicht auf diesem überspannten Immobilienmarkt. Der Hospizverein steckte seine Anstrengungen lieber in das realistisch Machbare. Und nur so kann das Hospiz verwirklicht werden.