An der digitalen Ausstattung der Schulen entzündet sich der politische Streit um Zuständigkeiten. Foto: dpa

CDU-Kultusministerin Eisenmann lehnt eine Grundgesetzänderung für den Digitalpakt erneut ab. Die Grünen-Landesvorsitzende Detzer hält dagegen nichts vom Gerangel um Zuständigkeiten in der Bildungspolitik. Sie will eine ganz neue Grundlage schaffen.

Stuttgart - Die Landesvorsitzende der baden-württembergischen Grünen, Sandra Detzer, will die Bildung auf ganz neue Füße stellen. In einem Papier, das unserer Zeitung vorliegt, spricht sich Detzer für einen Staatsvertrag zwischen den Ländern zur Verbesserung der Bildungsqualität aus. „Die Länder sollen ein Recht auf Förderung vereinbaren“, regt Detzer an. Das Recht soll auf den bestehenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz aufsetzen, die vertieft und geschärft werden müssten. Gefördert werden sollen „alle Schüler, die an den Regelstandards beim Rechnen, Schreiben und Lesen scheitern“. Ziel muss es laut Detzer sein, „allen Schülern die grundlegendsten Kompetenzen in einer Wissensgesellschaft zu vermitteln“. Das Recht auf Förderung sollte nach dem Vorbild Kanadas umgekehrt auch eine Pflicht sein. „Wir dürfen kein Kind zurücklassen“, postuliert Detzer. Zur Finanzierung setzt die Grünenchefin auf einen höheren Umsatzsteueranteil für die Länder. „Auf der Basis des Staatsvertrags müssen die Verhandlungen mit dem Bund über mehr Umsatzsteuerpunkte für die Länder beginnen“.

Gegen Kompetenzverschiebung zugunsten des Bundes

Detzer unterstützt die Ministerpräsidenten, die die vorgeschlagene Grundgesetzänderung zur Bildungsfinanzierung blockieren. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, würde die Bildungspolitik in Deutschland nicht grundlegend verbessern“, betont die Grünen-Politikerin. Gleichzeitig würden sich die föderalen Gewichte erheblich zugunsten des Bundes verschieben. Detzer stellt sich gegen die Position der Grünen im Bund: „Liebe Bundespolitiker, leugnen ist zwecklos: Der goldene Zügel soll kommen und ist beabsichtigt“. Die Länder „fürchten diesen Aderlass an Kompetenzen zu Recht“. Eine Kompetenzverschiebung hätte, so Detzer, negative Konsequenzen für Transparenz und Verantwortlichkeit.

Andererseits hält Detzer die „Bildungspolitik in Deutschland einer solch bedeutenden Industrienation für unwürdig. Die Lage schreit nach Veränderung.“ Mit ihrem Vorschlag orientiert sich die Grünen-Landeschefin an Kanada, das in den zentralen Disziplinen Lesen, Schreiben, Rechnen, sowie in der Bildungsgerechtigkeit und Inklusion weltweit an der Spitze steht. Wie in Deutschland liegt die Kultushoheit dort allein bei den Provinzen.

Eisenmann für Pakt ohne Grundgesetzänderung

Vor der Sitzung der Kultusminister an diesem Donnerstag positioniert sich auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) noch einmal gegen eine Grundgesetzänderung: „Der Digitalpakt ist wichtig, wir brauchen ihn, und die Schule warten schon seit zwei Jahren auf die versprochenen Milliarden“, sagte sie unserer Zeitung. Eine Grundgesetzänderung lehnt sie ab, sie bedeute „einen massiven Eingriff in unser gewachsenes föderales System“ und sie sei unnötig. „Wir haben mit Artikel 91c einen Weg, über den das Geld sofort ausbezahlt werden kann“, betont Eisenmann.

Sie erinnert an die Eckpunkte zum Digitalpakt, auf die sich die Kultusminister schon im Juni 2017 verständigt haben. Auch die Finanzierung sei dabei klar gewesen, eben der Artikel 91c. Der besagt, dass „Bund und Länder bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken“ können. „Wir waren uns einig“, erinnert Eisenmann. Der Vorschlag sei von der damaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gekommen. „Ich halte ihn nach wie vor für den besten Weg“, sagte Eisenmann. Jedoch hatte der Bund die Eckpunkte nicht unterzeichnet. Dann kam die Bundestagswahl. Eisenmann erinnert daran, erst nach der Bundestagswahl sei „auf einmal eine Grundgesetzänderung zur Bedingung“ gemacht worden.

- Wäre es ein Fußballspiel, dann würde ein Ergebnis von 16 zu null den Verlierer wahrscheinlich für den Abstieg in die Kreisklasse oder darunter qualifizieren. Ganz so sind die Verhältnisse natürlich nicht, wenn Bund und Länder über ihre Zuständigkeiten in der Bildungpolitik streiten – am Ende sitzen sie immer noch am gleichen Verhandlungstisch. Aber wenn die Ministerpräsidenten aller sechzehn Länder „von ganz links bis ganz rechts“, wie der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) betont, ohne Gegenstimme den Vermittlungsausschuss anrufen, dann hat der Bund auch sein eigenes Verhandlungsziel ziemlich spektakulär verfehlt. Die Länder halten die im Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung für nicht akzeptabel ist, und ohne ihre Zweidrittelmehrheit der Länder kann er seinen Plan schließlich nicht durchsetzen.

Deshalb wird der Bundesrat in seiner Sitzung am kommenden Freitag den Vermittlungsausschuss anrufen, um eine „grundlegende Überarbeitung“ der Vorschläge für eine Neuordnung der Bildungsfinanzierung auszuhandeln. „So geht der Vorschlag nicht“, sagten Tschentscher und der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) als Sprecher der CDU-regierten Länder übereinstimmend nach den Beratungen der Ministerpräsidenten in Berlin.

Alle Länder sich für eine schnelle Umsetzung des Digitalpakts für die Schulen als Einzelmaßnahme ein, die von der Grundgesetzänderung unabhängig realisiert werden könne. „Wir alle wollen den Digialpakt – aber nicht in der vorgesehenen Weise“, bekräftigte Hans. Damit ist aber schon sicher, dass die Umsetzung dieses Projekts, die im Januar beginnen sollte, sich verzögern wird.

Insgesamt hofft Tschentscher auf ein schnelles Vermittlungsverfahren. „Wir wollen sehr bald zu einem Ergebnis kommen und es besser regeln, als vorgeschlagen wurde“, sagte Tschentscher. Da ist Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der in dem vom Bund vorgeschlagenen Neuordnung der Bildungsfinanzierung eine grundsätzlichen Eingriff in Zuständigkeit der Länder ansieht. „Es wird nicht sehr schnell gehen“, prognostizierte Kretschmann.

Der Stuttgarter Regeirungschef machte zugleich deutlich, dass seine fundamentalen Bedenken gegen eine Grundgesetzreform keineswegs ausgeräumt sind und er für seine Linie kämpfen will. „Schulpolitik gehört in die Hoheit der Länder. Das kann nicht einfach so grundlegend geändert werden“, betonte der Regierungschef in Berlin. Er verwahrte sich auch gegen die Vorstellung, dass der Bund den Ländern „sein“ Geld zur Verfügung stellen wolle. „Das Geld stammt aus Gemeinschaftssteuern – das ist nicht das Geld des Bundes, sondern unser aller Geld.“