Bei Diskriminierungen durch die Polizei sollen Bürger im Land Berlin in Zukunft Schadenersatz einklagen können. Foto: dpa/Christoph Soeder

Als erstes Bundesland beschließt die Hauptstadt ein Antidiskriminierungsgesetz. Bürger sollen den Staat leichter verklagen können. Kritiker sehen darin einen Misstrauensbeweis gegen die Polizei.

Berlin - Für die einen ist es „Wahnsinn“, für die anderen ein Modellprojekt: Die rot-rot-grüne Berliner Koalition will am Donnerstag im Abgeordnetenhaus der Hauptstadt das bundesweit erste Landesantidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen. Das Gesetz soll es Bürgern und Verbänden ermöglichen, bei Diskriminierung durch Behörden Schadenersatz einklagen zu können. Damit soll eine Schutzlücke im Gesetz geschlossen werden.

Scharfe Kritik an dem Vorhaben kommt aus der Gewerkschaft der Polizei sowie von Unions-Innenpolitikern. Zentraler Kritikpunkt ist die Befürchtung, dass die Beweislast für Polizisten im Einsatz umgekehrt werden solle – und im Zweifel Beamte nachweisen müssten, dass sie nicht rechtswidrig gehandelt haben. Hintergrund dieser Kritik ist ein Passus in dem Gesetzestext, der von den Kritikern als Beweislastumkehr interpretiert wird.

Seehofer: Wahnsinn

An die Spitze der Kritiker setzte sich in der vergangenen Woche Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Das Gesetz sei „im Grunde ein Wahnsinn“, sagte Seehofer dem „Tagesspiegel“. Der Staat müsse hinter der Polizei stehen und dürfe sie nicht unter Generalverdacht stellen, kritisierte er. Mit einer solchen Schuldvermutung werden Vertrauen zerstört.

Auch der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, kritisierte das Gesetzesvorhaben scharf. Polizisten müssten künftig ihre Unschuld beweisen, wenn ihnen ein Tatverdächtiger pauschal einen Rechtsverstoß wie etwa Rassismus vorwerfe. Dies mache sie zu Freiwild. „Jeder Clan-Angehörige in Neukölln, jeder Dealer im Görlitzer Park und jeder Coronahilfe-Betrüger“ erhalte auf diese Weise „die Lizenz zur Diffamierung eines anständigen Polizisten, der ihm auf der Spur kommt.“ Frei sowie Vertreter der Gewerkschaft der Polizei stellten in Frage, ob Polizisten aus anderen Ländern künftig weiter zu Einsätzen nach Berlin abgeordnet werden sollten. Vorsichtiger ist man da im Innenministerium in Baden-Württemberg. Das Gesetz sei nicht beschlossen und man äußere sich nicht zu Entwürfen anderer Länder, so ein Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Allerdings plant Innenminister Thomas Strobl (CDU) , das Thema bei der Innenministerkonferenz im Juni anzusprechen.

Innensenator: Wer lesen kann, ist im Vorteil

Die Berliner CDU forderte die Koalition auf, das Gesetzgebungsverfahren anzuhalten. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) wies die Kritik scharf zurück: „Ich glaube, dass viele Kritiker des Gesetzes die Entwurfsfassung von vor drei Jahren in den Händen halten. Anders kann ich mir die Kritik und Aufregung nicht erklären“, so Geisel. „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.“ Geisel widersprach dem Vorwurf, das Gesetz kehre die Beweislast um.

Es stimmte nicht, dass allein die Behauptung einer Diskriminierung reiche. Erst wenn nach richterlicher Überzeugung glaubhafte Tatsachen für eine Diskriminierung vorliegen, müsse die betroffene Behörde widerlegen, dass es einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gegeben habe. „Es ändert sich nichts in der täglichen Arbeit der Polizei“, sagte Geisel. „Die bereits existierenden Diskriminierungsverbote beziehungsweise Verbote gegen Ungleichbehandlung, wie sie in Artikel 3 des Grundgesetzes oder der Verfassung von Berlin festgeschrieben sind, gelten ja jetzt schon und sind Richtschnur für das Handeln der Polizei.“

Der Innensenator verwies außerdem darauf, dass das Gesetz gar nicht vorsehe, dass ein Polizist persönlich hafte, sondern sich mögliche Schadenersatzansprüche ausschließlich gegen das Land Berlin richteten – und auch nicht gegen Polizisten aus anderen Bundesländern. Die Federführung für das Gesetz liegt beim grünen Justizsenator Dirk Behrendt. Dessen Sprecher sagte, die Beweiserleichterung sei nichts Neues. sondern stehe bereits im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz des Bundes.