Mit dem 9-Euro-Ticket können Fahrgäste seit vergangenen Mittwoch einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen. Foto: dpa/Henning Kaiser

Es sind die gleichen Szenen Jahr für Jahr: Am Pfingstwochenende wird es proppenvoll in den baden-württembergischen Zügen. Nun kam das 9-Euro-Ticket noch obendrauf. Das Ergebnis lässt die Verbände zwiegespalten zurück. Chaos? Erfolg? Oder beides?

Nach dem Andrang auf den baden-württembergischen Bahnhöfen am Pfingstwochenende fällt die erste Bilanz zur laufenden Rabattaktion auf den Schienen deutlich gespalten aus. Während sich die Gewerkschaft Sorgen macht um die überlasteten Bahnbeschäftigten, rechnet die politische Opposition mit der Bahn ab. Der Fahrgastverband hingegen nennt das verlängerte Wochenende mit 9-Euro-Ticket und der üblichen Reisewelle einen vollen Erfolg. „Es hat gezeigt, dass die Leute Bahn fahren wollen und dass die Bahn es im jetzigen Zustand nicht verkraftet“, sagte Joachim Barth, der Landesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, am Dienstag in Freiburg der Deutschen Presse-Agentur.

Es wäre aus seiner Sicht allerdings sinnvoller gewesen, erst in die Infrastruktur zu investieren und dafür zu sorgen, dass eine Aktion wie das 9-Euro-Ticket reibungsloser abgewickelt werden kann. Viele Hauptstrecken seien bereits jetzt so überlastet, dass zusätzliche Züge auf den vollen Strecken gar nicht eingesetzt werden könnten. „Außerdem kostet das alles Geld, und es ist kein zusätzliches Personal da“, sagte Barth. „Da kann man nicht mal eben doppelt so viele Züge einsetzen, weil man es drei Monate lang braucht.“

Entlastung für Pendler

Mit dem 9-Euro-Ticket können Fahrgäste seit vergangenen Mittwoch einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen. Diese Tickets werden für Juni, Juli und August verkauft. Damit sollen Pendler wegen der stark gestiegenen Energiekosten unterstützt werden. Allerdings hatten die Reisewelle zu Pfingsten und das Ticket am verlängerten Wochenende zu teils überfüllten Regionalzügen und Verspätungen geführt.

Für die kommenden Tage erwartet Barth zwar eine deutlich ruhigere Lage an den Gleisen. „Aber wir rechnen damit, dass der nächste Brückentag kommende Woche wieder ein harter Brocken für die Bahn und für Fahrgäste wird“, sagte der Pro-Bahn-Landeschef. Er gehe zwar davon aus, dass die Bahn nach den Erfahrungen der vergangenen Tage an der einen oder anderen Stellschraube drehen werde. „Aber viel wird sie nicht machen können. So eine Aktion braucht einfach mehr Vorlauf und die Bahn hat keine Reserven.“

9-Euro-Ticket verdeutlicht Probleme der Bahn

In diese Wunde greift auch die FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag. Das 9-Euro-Ticket habe die Probleme der Bahn noch einmal verdeutlicht, sagte FDP-Verkehrsexperte Christian Jung hr-Info. „Das zeigt schon jetzt, dass die Deutsche Bahn nur bedingt auf zusätzliche Kapazitäten im Nahverkehr und auch zu touristischen Zielen vorbereitet ist, weil einfach das Deutsche Bahn-Netz in einem katastrophalen Zustand ist“, ergänzte er. Er könne sich angesichts der nötigen Investitionen eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets nur vorstellen, wenn geklärt werde, wer die fehlenden Gelder ausgleiche, sagte Jung.

Am Pfingstwochenende waren in Baden-Württemberg vor allem die Reisenden betroffen, die unterwegs zu touristischen Zielen waren. Unter anderem die Touristinfos aus Ellwangen, Göppingen, Bad Urach, Rottweil und Tübingen meldeten, dass jeder zehnte Gast mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs gewesen sei. Der Betreiber Go-Ahead berichtete, es sei nicht überall im eigenen Liniennetz gelungen, Fahrgäste mitzunehmen. Ein Personalvertreter der Deutschen Bahn sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag), an jedem Tag habe es bundesweit etwa 400 Züge mit zu hoher Auslastung gegeben, so dass Passagiere abgewiesen oder Fahrräder nicht mitgenommen worden seien.