Wieder stößt der Bürgerwunsch nach Verschönerung auf Widerstand beim Stuttgarter Ordnungsamt. Nach einer Bank im Westen sind es jetzt Pflanzenkübel in der Stadtmitte.
Stuttgart - Der Löwenzahn erobert immer wieder selbst die kleinsten Lücken im Beton der Städte. Mit der gleichen Hartnäckigkeit versuchen auch die Bürger dieser Stadt immer wieder ihren Kiez schöner zu machen. Sei es durch kleine Tische und Stühle, die auch Nachbarn zum Gespräch einladen. Oder durch Bepflanzungen. Der Wille zu mehr Leben(squalität) ist ungefähr so groß wie der des sogenannten Unkrauts. Doch in der Regel beenden die städtischen Regeln diesen Wildwuchs. Wie zuletzt im Stuttgarter Westen: Da musste eine Nachbarschaftsbank vor einem Haus an der Seyfferstraße 50 weg, weil es die Behörde plötzlich störte. Zuvor stand sie da acht Jahre, ohne jemanden zu behindern oder zu gefährden.
Ähnlich gelagert scheint auch der Fall aus der Wagnerstraße im Leonhardsviertel. Dort kämpfen Fabio Fabian und seine Nachbarn schon seit fast 30 Jahren einen Kampf um Blumenkübel, die der Straße vor allem im Mai, wenn die Pflanzen in voller Blüte stehen, ein mediterranes Flair einhauchen. Nun sollen diese Pflanzen weg. Konkret: Sie hätten laut behördlicher Anordnung bereits zum 2. Juni weg sein sollen, wie aus einem Schreiben vom 18. Mai aus dem Ordnungsamt an die Hauseigentümer der Wagnerstraße 42 hervorgeht. Alle Bitten um eine Sondernutzung und seitenlange Begründungen der Anwohner hatten nichts genutzt. Auch der Hinweis, dass die Kübel seit nunmehr 30 Jahren das Straßenbild prägen und von Amts wegen bereits im Jahr 2011 toleriert worden seien, half nichts.
Das Amt zeigt kein Erbarmen
Das Ordnungsamt teilte mit: „Hierbei stützen Sie sich auf eine Aussage, nach dieser die Blumenkübel bereits seit 30 Jahren auf der öffentlichen Verkehrsfläche stehen. Die Stadtverwaltung habe davon Kenntnis gehabt und keine Einwendungen entgegengebracht […] des Weiteren führt die sich weiter entwickelnde Mobilität zu immer neuen Anpassungen im Verkehr […] aus diesem Grund erfolgt die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen ausschließlich auf Widerruf, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs jederzeit aufrecht erhalten zu können. Somit besteht auch bei bereits erteilten Sondernutzungserlaubnissen kein Recht auf das Bestehen einer Erlaubnis.“ Nachvollziehen kann diese Entscheidung in der Wagnerstraße keiner.
Nicht nur, weil die Verkehrsfrequenz trotz gestiegener Mobilität in dieser Nebenstraße kaum der Rede wert sei. Und weil die Argumente und Fakten der Stadt nicht richtig seien. Denn auf Anfrage dieser Zeitung präzisierte das Ordnungsamt seine ablehnende Haltung: „Aufgrund der fehlenden Durchgangsbreite für die Feuerwehr auf der Fahrbahn sowie unter anderem der fehlenden Sichtbarkeit bei Dunkelheit ist die Sicherheit des Verkehrs nicht gewährleistet.“
Bürger wehren sich mit Fakten
Fabio Fabian schüttelt bei dieser Begründung nur mit dem Kopf. „Das habe ich doch alles schon mit der Feuerwehr und der Polizei geklärt. Alle hatten nichts zu beanstanden und haben ihr Okay gegeben.“ Zum Beweis zückt er ein Foto, das zeigt wie ein Löschfahrzeug an den Pflanzkübeln vorbeikommt. Und als er nach oben zur Straßenbeleuchtung zeigt, die fast genau über den beiden Pflanzenkübeln hängt, entkräftet er auch das Argument der „fehlenden Sichtbarkeit bei Dunkelheit“. Seine zwei aufgefächerten Zollstöcke sollen den vermeintlichen Irrtum des Amtes völlig entlarven: „Bitteschön“, sagt er und zeigt auf das Metermaß: „Die Straße ist hier 3,66 Meter breit. Die Behörde fordert drei Meter Durchgangsbreite für Einsatzfahrzeuge. Das wird hier erreicht.“ Und wie durch ein Wunder wird er von einem durchfahrenden Einsatzwagen der Polizei unterbrochen – ein Mercedes-Kastenwagen. Auch die beiden Beamten passieren den grünen Engpass in angemessener Geschwindigkeit mühelos. „Wir wollen ja keine Narrenfreiheit“, sagt er dann, „aber wenn diese Kübel niemanden stören, warum müssen sie dann weg?“
Die Frage stellen sich in der Wagnerstraße alle Anwohner. Auch Mihaela Manachidis, die für die SPD im Bezirksbeirat Mitte sitzt. „Diese Ablehnung geht gar nicht“, sagt sie und kündigt an, die Sache im Bezirksbeirat vorzubringen: „Denn einerseits wünschen wir uns Begrünung in der Stadt und fördern beispielsweise das Engagement des Vereins Wanderbaumallee, anderseits verbieten wir so etwas. Das ist doch ein Widerspruch in sich.“
Auch der Stadt scheint die Sache inzwischen ein wenig unangenehm zu sein. „Aktuell wird versucht, eine Lösung mit allen Beteiligten zu finden. Zwar können die Bäume nicht an den jetzigen Standorten stehen bleiben, jedoch wird mit den Sicherheitspartnern eruiert, wo die Aufstellung möglich wäre“, lässt ein Sprecher der Verwaltung mitteilen. Vielleicht werden sich Bürger und Ordnungsamt ja doch noch einig.