Die vegane Ernährung hat Anhänger in Deutschland, fristet aber immer noch ein Nischendasein. Foto: dpa

Das Sommerloch treibt die nächste Sau durchs Dorf – oder sollte man in diesem Fall Lauch sagen? Wegen einer veganen Kita sind Fleischfreunde und -gegner wieder aneinander geraten.

Stuttgart - Die Zahlen sprechen für sich: Ausweislich des Statistikportals Statista gibt es in Deutschland rund 840.000 Menschen, die sich vegan ernähren – bei rund 82 Millionen Einwohnern. Die Zahl der Vegetarier wird mit rund zwei Prozent der Gesamtbevölkerung für das Jahr 2016 angegeben. Gleichzeitig schwankt der Fleischkonsum in Deutschland seit vielen Jahren beständig um die 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Vegetarismus und Veganismus führen hierzulande offensichtlich ein Nischendasein.

Die öffentliche Wahrnehmung ist allerdings eine andere. Vor allem in den sozialen Medien ist die fleischlose Ernährung ein Dauerreizthema, auf das Journalisten, Blogger, Prominente und Internetnutzer gleichermaßen anspringen. Manche wollen die Aufmerksamkeit geschäftlich für sich zu nutzen, wie etwa der Vegan-Koch Attila Hildmann, der mit schöner Regelmäßigkeit mit kalkulierten Ausrastern und Aktionen für Furore sorgt.

Kommentare mit Schaum vor dem Mund

Der Fanta-4-Manager Andreas Läsker hingegen ist eher veganer Überzeugungstäter, verheddert sich vor allem auf Facebook gerne in verbale Scharmützel mit Fleischessern und vergisst dabei ein ums andere Mal die gute Kinderstube. Und die Journalisten schreiben das alles auf, je nach persönlicher Haltung für oder gegen den Veganismus – aber immer mit Schaum vor dem Mund.

Jüngster Anlass ist die angekündigte Eröffnung eines Kindergartens mit veganer Ernährung in Frankfurt. In Zeiten des Sommerlochs lässt sich ein gewiefter Redakteur diese Steilvorlage nicht entgehen. Schließlich verbinden sich hier der Dauerkrach zwischen Fleischessern und Veganern mit einem weiteren, kolossalen Reizthema: den Kindern und deren Erziehung.

Veganer mit Salafisten verglichen

Vegane Helikoptereltern bilden offenbar die schlimmste Brut, die auf Gottes schöner Fleischesgenusswelt herumwuselt. So schafft es der Spiegel-Online-Autor Armin Himmelrath tatsächlich, vegan lebende Eltern, die ihre Kinder entsprechend ernähren wollen, in eine Reihe zu stellen mit Salafisteneltern oder christlichen Fundamentalisten, die ihre Kinder dem Schulunterricht entziehen und auf Prügelstrafen setzen. Vegan lebende Menschen sind für ihn nervtötende Besserwisser, die in ihren 200-PS-Familienkutschen vor die Kitas rauschen und den Erzieherinnen Vorschriften beim Stuhlgang des Sprösslings machen.

Abgesehen davon, dass diese perverse Umdrehung, mit der die fleischlos Lebenden in die sinistre Ecke gestellt werden, fast schon ein bisschen sprachlos macht, ist die polemische Vermischung diverser Lebensentwürfe gar nicht nachvollziehbar. Das ist ungefähr so, als würde man behaupten, dass Fleischesser Anhänger des an Rinderwahnsymptomen leidenden US-Präsidenten Donald Trump sein müssen. Der drückt schließlich eine Politik mit dem Recht des Stärkeren durch, das gleiche Recht, mit dem der Mensch für sich in Anspruch nimmt, Tiere für seinen eigenen Genuss zu töten.

Kopfschmerztabletten so künstlich wie Vitaminpillen

Tatsächlich würde es einer zumindest vegetarischen Welt und mit ihr den Menschen deutlich besser gehen. Übermäßiger Fleischgenuss ist ungesund, Massentierhaltung und Futtermittelproduktion zerstören die Umwelt, und ethisch ist das Töten von Tieren einfach nicht zu rechtfertigen. In dem Ausmaß, in dem zurzeit weltweit Fleisch konsumiert wird, schadet es allen: Menschen, Tieren und der Natur.

Vegane Ernährung braucht Aufmerksamkeit, aber das ist machbar, ohne das Kinder mit Schäden durch Mangelernährung aufwachsen. Und wer meint, dass künstliche Nahrungsergänzungsmittel irgendwie unnatürlich (gesundheitsschädlich) sind, der möge künftig auch auf die Kopfschmerztablette nach der feuchtfröhlichen und fleischlastigen Grillparty verzichten.