Zu groß, zu teuer, kein Tageslicht: Die Leonberger Ratsfraktionen sehen die Idee des Oberbürgermeisters, das Meldewesen in das ehemalige Karstadt-Tiefgeschoss zu verlegen, sehr kritisch.
Äußerst verhalten reagieren die Leonberger Ratsfraktionen auf die Absicht des Oberbürgermeisters Martin Georg Cohn (SPD), das krisengeschüttelte Bürgeramt vom Marktplatz in das leer stehende Karstadt-Untergeschoss im Leo-Center zu verlegen. Besonders die Finanzierung bereitet den Fraktionssprechern Sorgen.
Nicht nur die reinen Mietkosten, „sondern vor allen Dingen die beträchtlichen Nebenkosten im Leo-Center“, treiben den Leonberger CDU-Chef Oliver Zander um. Besonders kritisch sieht er die langfristige finanzielle Bindung der Stadt. Cohn hatte im Sommerinterview mit unserer Zeitung von einem zehn Jahre laufenden Mietvertrag gesprochen. „Hier werden durch Oberbürgermeister Cohn in seinem letzten Amtsjahr Tatsachen geschaffen, mit denen die Stadt Leonberg möglicherweise über Jahrzehnte hinaus belastet wird“, befürchtet Zander.
„Der Gemeinderat wurde bislang meiner Kenntnis nach nicht informiert“, sagt Axel Röckle. „Dies ist bezeichnend für die Art und Weise, wie der Oberbürgermeister mit dem Gemeinderat umgeht.“ Bis zu einer möglichen Ratsentscheidung im Oktober fordert der Fraktionschef der Freien Wähler, folgende Probleme auszuräumen: Das alte Karstadt-Untergeschoss könne nur über einen inneren Aufzug, nicht aber über den Gemeinschaftsbereich des Leo-Centers erreicht werden. Ein Außeneingang würde aber nicht die Frequenz in der Shopping-Mall selbst erhöhen.
„Seinerzeit wurde vom Rat bewusst die Entscheidung getroffen, das Alte Rathaus als Bürgerkontakt zu betreiben, um damit am Marktplatz eine Anlaufstelle zu unterhalten“, erklärt Röckle. Zwar sei das Gebäude in der Tat sanierungsbedürftig. Es gebe jedoch genügend Ausweichflächen in der Nähe.
Bernd Murschel sieht ein weiteres Problem: „ Mit der Schließung von Karstadt ist die Einkaufsmöglichkeit für Grundbedürfnisse in der Stadt weggebrochen. Dafür bräuchte es in erster Linie einen Ersatz“, sagt der Fraktionschef der Grünen. „Die Probleme des Bürgeramts im Alten Rathaus lagen nicht an der Örtlichkeit, sondern überwiegend am Personalmangel“, sagt Murschel. „Eine Belebung des Leo-Centers bei der Nutzung des Untergeschosses ist durch die räumliche Trennung und die nicht barrierefreie Erreichbarkeit kaum zu erwarten.“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ottmar Pfitzenmaier hätte es von Anfang an besser gefunden, das Bürgeramt im Neuen Rathaus zu integrieren. „Die Nostalgiker haben sich leider durchgesetzt, unter anderem mit der hanebüchenen These, das Bürgeramt würde den Marktplatz beleben.“
Gewährt ECE einen Rabatt?
Gleichwohl verweigere sich die SPD nicht, „alles Sinnvolle mitzutragen, um das Bürgeramt wieder ans Laufen zu bringen“. Zur Idee, das Untergeschoss im Leo-Center für ein Bürgeramt zu nutzen, seien „noch nicht die entscheidenden Stellgrößen“ bekannt: Wie hoch sind die monatlichen Mietaufwendungen und Nebenkosten? Gewährt das ECE der Stadt „einen großzügigen Kommunalrabatt auf die sonst bekanntermaßen ziemlich happigen Mietpreise?“ Wie hoch ist der Investitionsbedarf zum Umbau der Räumlichkeiten? Pfitzenmaier geht von einer „nennenswerten sechsstelligen Summe“ aus.
Zwar sei es „immer wieder interessant, von den Plänen des Oberbürgermeisters aus der Presse zu erfahren“, stichelt Horst Nebenführ. „Grundsätzlich hat der Umzug des Bürgeramts ins Leo-Center aber einen gewissen Charme“, meint der FDP-Fraktionsvorsitzende. „Von der Erreichbarkeit ist es dort ideal: Es liegt zentral, es gibt Busse , aber auch Parkplätze.“ Das Problem der Arbeitsplätze ohne Tageslicht könnten womöglich kreative Planer lösen. „Ohne ein klares Konzept“ könne sich die FDP keine abschließende Meinung bilden.
Die hat die SALZ-Fraktion gefunden: „Für uns ist ein Bürgeramt im Leo-Center keine Option“, sagt der Fraktionssprecher Frank Albrecht. „Das Bürgeramt krankt weder am Raum, noch an der Qualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn alle Arbeitsplätze belegt sind, wird hier zügig und serviceorientiert gearbeitet, Wartezeiten sind dann kaum ein Thema.“ Das Ordnungsamt, in welches das Bürgeramt integriert ist, müsse seit langem ohne Amtsleitung auskommen, „die hohe Last wird auf die Abteilungsleitungen verteilt“.
Grundsätzlich, so Albrecht „sind wir der Meinung, dass die Stadt optimale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setzen muss, sie aber nicht selbst ersetzt. ECE ist ein privates Unternehmen und für das Center verantwortlich. Es ist nicht Aufgabe der Stadt, durch langfristige Mietverträge zum wirtschaftlichen Erfolg beizutragen.“