Wahlform oder verpflichtend, an drei oder vier Tagen? In Korntal-Münchingen wird um die Art der Ganztagsschule gerungen. Nun werden Eltern laut: Die Schulen wüssten es doch am besten.
In Korntal-Münchingen ringen die Beteiligten um die Ganztagsschule. Dass sie zum Schuljahr 2027/28 kommt und den Hort ersetzen wird, steht fest. Strittig ist, wie der Ganztag an den Grundschulen in Korntal und in Münchingen gestaltet sein soll. Sollen ihn alle Kinder verpflichtend besuchen, oder sollen die Eltern jedes Schuljahr zwischen Halbtag und Ganztag wählen? Und soll der Ganztag an drei oder vier Tagen in der Woche angeboten werden?
Die geplante Einführung treibt viele Eltern um. Verunsicherung und Ängste machten sich breit, seitdem das Thema öffentlich diskutiert wird, auch weil in Münchingen die verpflichtende Ganztagsschule nicht auszuschließen ist. Manche Eltern klagten über fehlende Informationen. Dabei hätten die Schulleitungen und Elternvertreter früh Gespräche angeboten, sagt Kathrin Brantl, die stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende der Teichwiesenschule Korntal. „Es gab keinen Mangel an Informationen.“ Katrin Hönes, Elternbeirätin der Flattichschule Münchingen, berichtet, sie habe für die Sitzungen des Gemeinderats geworben. „Es kamen aber keine Eltern“, erinnert sich Kathrin Schulz vom Förderverein der Flattichschule. „Dabei sind persönliche Gespräche so wichtig.“
Eltern: „Die Experten müssen das in die Hand nehmen.“
Marco Schradetzki, ebenfalls Elternbeirat der Flattichschule und Stadtrat der Freien Wähler, kritisiert „einseitige und teilweise falsche Berichterstattungen in Whatsapp-Chats und Stimmungsmache in den sozialen Medien“. Er bedauere, dass von einigen wenigen mehr übereinander statt miteinander gesprochen worden sei. „Wir als Schulgemeinschaft müssen zusammen und nicht gegeneinander arbeiten.“
Die Eltern wünschen sich, dass man den Schulen beim Thema Ganztagsschule vertraut. Sie wüssten es doch am besten. „Die Experten müssen das in die Hand nehmen“, meint Katrin Hönes. Kathrin Brantl nickt. „Mein Kind kommt nach dem Unterricht glücklich heim. Was soll ich da anzweifeln? Ich weiß es nicht besser.“ Die Lehrkräfte seien am nächsten am Kind dran, und die Schulen stellten das Kindswohl uneingeschränkt in den Vordergrund. „Beide Schulleiterinnen machen ihren Job mit Leidenschaft und Herzblut“, sagt Kathrin Brantl. Mit dem von Schule und Stadtverwaltung als Schulträger bevorzugten Modell der Ganztagsschule an drei Tagen für je sieben Stunden sei sie „fein“, sagt Katrin Hönes. „Wenn man sieht, dass es gut läuft, ist ein Ausbau möglich.“
Auf Forderung von Gemeinderäten und Eltern hatte die Stadtverwaltung betroffene Familien nach ihren Bedarfen befragt, ehe weitere Entscheidungen fallen. Geäußert haben sich 42 Prozent. Catharina Thieme, die den Fachbereich Familie, Bildung und Soziales leitet, stellte den Mitgliedern des Verwaltungs- und Sozialausschusses die Ergebnisse vor. Das letzte Wort hat der Gemeinderat am 16. Oktober. Das Votum im Ausschuss war geprägt von vielen Enthaltungen.
„Insgesamt trifft die Wahlform auf mehr Zustimmung der Eltern“, sagte Catharina Thieme. In Korntal fällt sie klarer aus als in Münchingen, hier wollen mehr Eltern die verbindliche Form. Wer sich für die Halbtagsschule ausspricht, wird aber den Stimmen pro Wahlform zugeschlagen. Etwas mehr Korntaler Eltern bevorzugen einen Ganztagsbetrieb an vier Tagen, wohingegen fast die Hälfte der Münchinger Eltern das Modell drei Tage à sieben Zeitstunden will.
Der Bürgermeister: „Wer den Halbtag will, ist mit der Wahlform zufrieden.“
Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, die pädagogischen Konzepte für beide Ganztagsgrundschulen in Wahlform auf Grundlage des Modells drei Tage à sieben Zeitstunden weiterzuentwickeln. Die Fachbereichsleiterin Thieme betonte, es sei der Verwaltung nicht leichtgefallen, die Wahlform auch für die Flattichschule anzuregen – entgegen dem Wunsch der Leiterin Claudia Winker samt Kollegium. Winker zufolge lässt sich nur mit dem verpflichtenden Ganztag unter anderem Chancen- und Bildungsgerechtigkeit erreichen. Bürgermeister Alexander Noak (parteilos) ist überzeugt, „wer den Halbtag will, ist mit der Wahlform zufrieden“.
Zum Drei-Tages-Modell sagte der Rathauschef: Dies sei eine kleinere Hürde, um sich als Eltern, die weiter die Halbtagsschule wollen, doch für den Ganztag zu entschließen. Zudem sei es einfacher, den Ganztag zu erweitern als zu reduzieren.
Ein Antrag zur Ganztagsschule wird abgelehnt, ein anderer geht durch
Gegenwind folgte prompt. Peter Ott (FDP) nannte es „gewagt“, alle Stimmen pro Halbtag der pro Wahlform zuzurechnen. Warum werde zwischen den Stadtteilen nicht differenziert? Das böte den Eltern Ausweichmöglichkeiten und würde mehr Bedarfe stillen. Otts Änderungsantrag, in Korntal vier Tage Ganztag einzuführen, wurde aber abgelehnt. Stephan Haag (SPD) gab zu bedenken, vier Tage kämen den Familien entgegen, die Betreuung bräuchten, aber weniger Geld hätten, um zusätzliche Betreuung zu buchen.
Geht es nach Oliver Nauth (CDU), sollen die Eltern über Halb- oder Ganztag entscheiden. „Korntal-Münchingen sollte den Anspruch haben, eine familienfreundliche Schulstadt zu bleiben.“ Auch Albrecht Gaiser (Grüne) plädiert für die Wahlform. Die freiwillige Teilnahme sei laut Studien mit besseren Effekten verbunden.
Trotzdem hatte Marco Schradetzki mit seinem Antrag pro verpflichtenden Ganztag in Münchingen Erfolg. Die Flattichschule habe Vorarbeit geleistet, sagte er. „Soll sie nun vielleicht das Nachsehen haben, weil die Mehrheit der Eltern schweigt?“