Fraktionschef Volker Kauder versucht, die Reihen zu schließen. Foto: dpa

Offener Streit in der Union: Zahlreiche Abgeordnete, die in der Griechenland-Abstimmung mit Nein gestimmt haben, wollen sich die Ordnungsrufe von Volker Kauder nicht bieten lassen.

Berlin - Da fahren zwei Züge auf einander los: Unionsfraktionschef Volker Kauder gegen die Abweichler bei den Griechenland-Hilfen in der Union. Nachdem Kauder Nein-Sagern angedroht hatte, dass er sie aus wichtigen Ausschüssen wie etwa dem Haushalts- oder Europaausschuss entfernen wolle, reagierte der Politiker Christian von Stetten sofort.

Im Gespräch mit unserer Zeitung verwahrte sich der Abgeordnete aus Schwäbisch Hall-Hohenlohe, der den Parlamentskreis Mittelstand leitet, gegen die Drohung: „Ich bin ein frei gewählter Abgeordneter und lasse mich in einer solch wichtigen Frage wie der Griechenland-Hilfe von niemandem unter Druck setzen.“ Er könne „die Drohung nicht nachvollziehen“, sie „beeindruckt mich auch nicht“, so von Stetten weiter. Die Fakten seien doch klar: „Weder die Systemrelevanz Griechenlands für die Eurozone noch die notwendige Schuldentragfähigkeit konnte bis jetzt nachgewiesen werden.“ Außerdem sei der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht bereit, neue Hilfen an das Land mitzufinanzieren. Von Stetten kündigt an, standhaft zu bleiben: Das seien „alles Gründe, das dritte Griechenlandrettungspaket weiterhin abzulehnen.“

Derzeit verhandelt die Euro-Gruppe über ein drittes Hilfspaket. Wenn die Verhandlungen erfolgreich enden, wird der Bundestag vermutlich Ende August erneut um seine Zustimmung gebeten. Diese Abstimmung hat Fraktionschef Kauder fest im Blick. Nachdem bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen bereits 60 Abgeordnete aus seiner Fraktion mit Nein gestimmt hatten und fünf sich enthalten haben, will Kauder die Zügel nun anziehen.

Auch Unionsabgeordnete aus dem Südwesten sind der Fraktionsführung nicht gefolgt

Unter den Abweichlern sind etliche namhafte Unionspolitiker, wie etwa der Innenexperte Wolfgang Bosbach, der ehemalige Bundesverkehrsminister und jetzige Chef des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer, Fraktionsvize Arnold Vaatz, CSU-Finanzexperte Hans Michelbach sowie der Abgeordnete Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT).

Auch Unionsabgeordnete aus dem Südwesten sind der Fraktionsführung nicht gefolgt, darunter der Energieexperte Thomas Bareiß und Christian von Stetten. Verkehrsexperte Steffen Bilger, Chef des Bezirks Nordwürttemberg, enthielt sich.

Von Stetten ist bislang der Einzige der Abweichler, der mit offenem Visier Kauder entgegentritt. Viele andere sind nur bereit, hinter vorgehaltener Hand die Drohungen zu kommentieren.

Es gibt aber auch Verständnis für Kauder

Ein prominenter Abweichler, der seinen Namen in dieser Sache nicht in der Zeitung lesen möchte, sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Ich halte die Ankündigung von Kauder für hochproblematisch.“ In der Griechenland-Frage gebe es nicht nur ein „richtig“ und ein „falsch“. Die Fraktion müsse weiter um den richtigen Weg ringen. Da mache es keinen Sinn, wenn die Fraktionsspitze ihn vorgebe. Und weiter: „Wir sollten es aushalten, dass es unterschiedliche Auffassungen bei der Frage gibt.“

Ein wirtschaftsnaher Politiker spricht im Hinblick auf Kauders Ankündigung von einer „Eskalationsstufe, die ich so nicht für möglich gehalten hätte.“ Ein Abgeordneter aus dem Osten sagt: „Das ist absurd.“ Wenn Kauder ernst mache, „müsste er allein im Haushaltsausschuss mindestens sieben Personen austauschen.“

Ein Abweichler äußert sogar gewisses Verständnis für Kauder: „Bei Mitgliedern des Haushaltsausschusses ist die Sache sicherlich problematisch, man kann bei den Griechenland-Themen nicht immer gegen seinen eigenen Laden stimmen.“

Konsequenzen hat es gegen Abweichler früher schon gegeben

Im Kreis der Abweichler geht man durchaus davon aus, dass Kauder Konsequenzen ergreifen wird: Es wird darauf hingewiesen, dass nach der Saarländer Alexander Funk, der in der letzten Wahlperiode gegen Griechenland gestimmt hatte, nach der Wahl keinen Posten mehr im Haushaltsausschuss bekommen hat. Die Abweichlerin Veronika Bellmann kam auch nicht mehr im Europa-Ausschuss zum Zuge.

Kauder hatte gesagt: „Auch die Sechzig haben unserer Fraktionsordnung zugestimmt, in der steht: Wir diskutieren, streiten und stimmen ab, aber am Schluss muss die Minderheit mit der Mehrheit stimmen.“ Jeder entscheide selbst, was für ihn eine Gewissensfrage ist. „Aber ich werbe dennoch für Geschlossenheit. Das hat auch mit dem Korpsgeist zu tun, den eine gute Truppe haben sollte.“