Will die Fraktion als eigenes Machtzentrum etablieren: Wolfgang Reinhart Foto: dpa

Der Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart sucht den direkten Konflikt mit Parteichef Thomas Strobl – das ist sonst gar nicht seine Art.

Stuttgart - In der Südwest-CDU reiben sich viele die Augen: Ist das noch der Wolfgang Reinhart, den sie kennen? Ein Alphatier war der Juraprofessor aus Tauberbischofsheim schon immer, schon bevor er im Mai 2016 Landtagsfraktionschef wurde. Auch dass er „koffern“ kann gegen Freund und Feind, wenn es um seine Interessen geht, wusste man. Aber der 61-Jährige zeigte sich gleichzeitig auch stets geschmeidig, abwartend und taktierend. Die direkte Konfrontation ist sonst eigentlich nicht sein Sache.

Doch nun das: Ohne Rücksicht auf Warn- und Stoppsignale von Parteichef Thomas Strobl lässt er die Fraktionslok entgegen der Koalitionsrichtung fahren. Als wollte er mit einem Streich nicht nur die Koalition, sondern auch die Machtverhältnisse in der Partei beiseite wischen. Was also ist mit Reinhart los?

Der frühere Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten nutzt offenbar einfach die Chance, hinter dem Schutzschild der Fraktion seinen Machtanspruch zu formulieren – auch mit Blick auf die nächste Landtagswahl. „Der will Strobl nach Berlin wegmobben, nichts Anderes“, sagt ein hochrangiger Parteivertreter. Die offene Feldschlacht gegen Strobl würde er nie wagen – und auch nicht gewinnen, denn der Landes- und stellvertretende Bundesparteichef ist in der Mitgliedschaft weitgehend unangefochten. Doch würde Reinhart während der Wahlperiode in die Regierung eintreten und Strobl als Vizeministerpräsident beerben, käme die Partei künftig nicht mehr an ihm vorbei.

Strobl trägt an der Entwicklung Mitschuld

Selbstbewusst und eigenständig solle die Fraktion sein, hatte Reinhart schon kurz nach seiner Wahl angekündigt: „Wir brauchen den nötigen Freiraum.“ Und doch hat es einige Zeit gedauert, bis der frühere Hindernisläufer aus Tauberbischofsheim sich seiner Landtags-CDU sicher sein konnte. Direkt nach der Wahl waren noch viele alte Gräben offen, da war auch der alte Oettinger-Schavan-Konflikt noch virulent. Doch im Lauf der Zeit ist es ihm gelungen, die Fraktion auf seine Seite zu ziehen – und daran trägt Strobl nicht unwesentlich Mitschuld. Mit einer Mischung aus Arroganz und demonstrativem Desinteresse für die Befindlichkeiten der 43 Abgeordneten machte Strobl es Reinhart leicht, sich zu profilieren. Dabei hätte der Parteichef den Rivalen anfangs durchaus einbinden können – zum Beispiel mit dem Angebot eines Ministeramts. Doch diese Offerte kam nicht.

Von der Politik abhängig ist der Mann mit dem pechschwarzen Haar schon lange nicht mehr. Jedenfalls nicht wirtschaftlich. Reinhart hat Jura, Betriebswirtschaft und Politikwissenschaft studiert. Von 1985 bis 2004 war er als Rechtsanwalt in Tauberbischofsheim tätig. Dort baute er eine große Anwaltskanzlei auf. Von Juli 2004 bis April 2005 war er Staatssekretär im Stuttgarter Finanzministerium, dann ging er nach Berlin – als Bevollmächtigter des Landes beim Bund. Bereits seit 1992 gehört er dem Landtag an.

Was er nun nach seiner Machtprobe mit Strobl macht, ist eine andere Frage. Niemand weiß momentan, wie er aus dieser Sackgasse wieder heraus kommt. Auch das ist völlig ungewöhnlich für den gelernten Juristen, der alle Wenns und Abers in diversen Konstellationen gerne vorab durchspielt. Und sich dann noch ausgiebig Rat holt – zum Beispiel bei EU-Kommissar Günther Oettinger. Manche reden sogar schon von einem „Kamikaze-Kurs“, den Reinhart da fahre.

Warnung vor dem Beispiel Rheinland-Pfalz

Tatsächlich hätte Reinhart die formale Abstimmung in der Fraktion zum Wahlrecht wohl verhindern können. Schon am Dienstagmorgen hatte es Gerüchte gegeben, dass auch bei den Grünen – auch in ihren Reihen sehen manche die Reformpläne kritisch – an Szenarien gefeilt wird, wie man den Koalitionsvertrag im Punkt Wahlrecht einvernehmlich korrigieren kann. Doch diese Brücke ist nun erst einmal abgebrochen. Zu groß wäre der Gesichtsverlust. Und die Abstimmung in der Fraktion? So einvernehmlich („einstimmig“), wie Reinhart glauben macht, war das Ergebnis keineswegs. Dem Vernehmen nach fehlte ein halbes Dutzend Abgeordnete – darunter Generalsekretär und Strobl-Intimus Manuel Hagel und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Beobachter meinen, so mancher der CDU-Abgeordneten habe die Tragweite ihres Votums am Dienstag noch nicht in aller Breite erfasst. „Das läuft bald wie in Rheinland-Pfalz“, warnt ein Christdemokrat mit Blick auf die Partei im Nachbarland, die seit ihrem inneren Zerwürfnis 1991 nicht mehr an der Regierung ist.

Wie also weiter? Die Hoffnung bauen jetzt auf das gute Verhältnis zwischen Strobl und Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die beiden haben schon öfter für die Koalition die Kastanien aus dem Feuer geholt. Dass der kurzfristig eingesetzte Arbeitskreis die Krise lösen kann, glaubt jedenfalls niemand. Doch immerhin sollen darin auch Parteivertreter mitarbeiten – die Macht der Fraktion ist also somit eingeschränkt.