Eine Facette des Kinderlands. Foto: dpa

Streit um die Streichung im Südwesten – Das Sozialministerium verteidigt sich und sieht die Verantwortung ausschließlich beim Bund.

Stuttgart - Das Stuttgarter Sozialministerium ist einem Bericht unserer Zeitung über die Hintergründe der Streichung des Landeserziehungsgelds entgegengetreten. „Die Problematik der Anrechnung des Landeserziehungsgeldes bei Hartz-IV-Familien hat sich nicht etwa deswegen verschärft, weil das Sozialministerium hier die Probleme verkannt hätte. Es ist vielmehr so, dass die Probleme der Berliner Regierungskoalition im Umgang mit dem Betreuungsgeld auf unser neues Modell übergeschwappt sind“, erklärte ein Sprecher von Ministerin Karin Altpeter (SPD). Seine Schlussfolgerung: „Ohne Betreuungsgeld-Streit würde sich die Anrechnungsfrage heute wahrscheinlich gar nicht stellen.“

Der Vorgang in Kürze: Im Zuge der Beratungen für den Doppelhaushalt 2013/14 hatte die Landesregierung das Landeserziehungsgeld gestrichen (zuletzt 38 Millionen Euro im Jahr). Von dieser Sonderleistung des Landes profitierten Familien mit geringem Einkommen im Anschluss an das Elterngeld für die Dauer von zehn Monaten. Ursprünglich wollte Grün-Rot das 1986 eingeführte Landeserziehungsgeld dahin gehend reformieren, dass nur noch besonders bedürftige Familien – in der Regel Hartz-IV-Empfänger – davon profitieren. Die Fördersumme wurde per Kabinettsbeschluss auf 19 Millionen Euro jährlich halbiert; das übrige Geld sollte in den Ausbau der Kinderbetreuung gesteckt werden.

Später kamen dem Sozialministerium jedoch Zweifel, ob die neue Konstruktion rechtlich trägt; man sah die Gefahr, dass das „neue Landeserziehungsgeld“ auf Hartz IV angerechnet würde. Nachfragen beim Bundesfamilien- und Bundesarbeitsministerium erbrachten aus Sicht des Sozialministeriums nicht die erhoffte „Rechtsklarheit“. Die Zweifel blieben. Daraufhin kippte Grün-Rot das Landeserziehungsgeld ganz. Begründung: Man wolle damit ja nicht den Bund finanziell entlasten. Jetzt stand die Bundesregierung als Buhmann da.

„Wie immer das Landeserziehungsgeld ausgestaltet ist, die Anrechnung auf Hartz-IV-Familien wäre spätestens nach Einführung des Betreuungsgelds wohl nicht mehr zu vermeiden“

Was die Landesregierung nicht sagte: Der Schriftverkehr zwischen Stuttgart und Berlin ließ den Schluss zu, dass das Landeserziehungsgeld in seiner bisherigen Form nicht mit Hartz IV verrechnet worden wäre. Demnach wurde das Problem, das man beklagt, von Grün-Rot selbst geschaffen.

Dem widerspricht das Sozialministerium energisch und verweist auf das Betreuungsgeld, das nach einem Beschluss der Bundesregierung auf Hartz IV angerechnet werden soll. „Wie immer das Landeserziehungsgeld ausgestaltet ist, die Anrechnung auf Hartz-IV-Familien wäre spätestens nach Einführung des Betreuungsgelds wohl nicht mehr zu vermeiden“, argumentiert der Sprecher: „Sonst würden nämlich zwei Familienleistungen zeitgleich gewährt – einmal mit Hartz-IV-Anrechnung (Betreuungsgeld) und einmal ohne (Landeserziehungsgelder). Dies sei weder rechtlich noch politisch realistisch: „Die Thüringer Landesregierung hat daher bereits angekündigt, das dortige Landeserziehungsgeld zu streichen, sobald das Betreuungsgeld kommt.“

Diese Information ließ sich bisher nicht überprüfen; in der Erfurter Staatskanzlei war keine Stellungnahme zu erhalten. Auskunftsfreudig zeigte sich hingegen das Sozialministerium des Freistaats Bayern, der ebenfalls einkommensschwache Eltern mit einem Landeserziehungsgeld unterstützt. Auf die Frage, ob zu befürchten sei, dass diese Sonderleistung künftig mit dem Betreuungsgeld verrechnet würde, antwortete ein Sprecher: „Das bayerische Landeserziehungsgeld ist eine einkommensabhängige Sozialleistung, die es unabhängig von der Betreuungsform gibt.“ Sie habe mit dem geplanten Betreuungsgeld nichts zu tun. Deshalb könnten in Bayern beide Leistungen künftig auch parallel bezogen werden: „Das bayerische Landeserziehungsgeld wird auch nicht mit anderen einkommensabhängigen Sozialleistungen wie den Leistungen nach SGB II (Hartz IV, d. Red.), verrechnet, sondern bleibt dort als Einkommen unberücksichtigt.“

„Länder sind frei, ihren eigenen Weg zu gehen“

Das Bundesfamilienministerium vermag der Argumentation aus Stuttgart ebenfalls nicht zu folgen. „Das Betreuungsgeld entfaltet keine Bindungswirkung für die Länder. Sie sind frei, ihren eigenen Weg zu gehen“, sagt Christoph Steegmanns, Sprecher von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), auf Anfrage. Es sei schon ungewöhnlich, dass sich ein Land so leicht beeindrucken ließe. Auch ist das letzte Wort zur Anrechenbarkeit des Betreuungsgelds auf Hartz IV offenbar noch nicht gesprochen. Die sogenannte Riester-Variante steht weiterhin im Raum; demnach erhielten Hartz IV-Empfänger das Betreuungsgeld zwar nicht direkt, es könnte jedoch in deren Altersvorsorge fließen.

Wer hat also nun die Buhmann-Rolle? Für die Südwest-CDU ist die Sache klar: „Wenn Grün-Rot nicht am Landeserziehungsgeld herumgedoktert hätte, wäre es auch in der Zukunft nicht auf Hartz IV angerechnet worden“, meint CDU-Landeschef Thomas Strobl. Es sage viel über den politischen Stil der Landesregierung aus, dass sie den Eindruck erweckt habe, die Schuld für die Abschaffung des Landeserziehungsgelds liege in Berlin: „Das ist eine unredliche und unehrliche Argumentation .“